Pristina (dapd). Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Kosovo ernsthafte Reformen zur Stabilisierung des Landes und zur Lösung des Grenzkonflikts mit Serbien angemahnt. Nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Hashim Thaci forderte Merkel am Montag in der kosovarischen Hauptstadt Pristina unter anderem weitere Anstrengungen bei der Schaffung rechtstaatlicher Prinzipien. Auch der Kampf gegen die Korruption müsse auf der Tagesordnung bleiben, sagte die CDU-Vorsitzende. Mit Serbien müsse es "zu gemeinsamen Formen des Umgangs kommen", erklärte Merkel mit Blick auf den Grenzkonflikt im Norden des Kosovos.

Thaci versicherte, seine Regierung bemühe sich um den Aufbau eines demokratischen und multi-ethnischen Kosovo und um nachbarschaftliche Beziehungen zu allen Anrainern. "Kosovo möchte Teil der EU sein und der NATO", betonte Thaci. Der Dialog sei die einzige Option, die einzige Lösung im Streit zwischen Kosovo und Serbien.

Im Anschluss an ihr Gespräch besuchte Merkel deutsche Soldaten der im Kosovo stationierten KFOR-Truppen. Die Bundeswehr ist dort seit dem 12. Juni 1999 präsent. Derzeit sind dort etwa 1.300 Männer und Frauen stationiert. Die Kanzlerin erwies ihnen kurz vor Weihnachten mit ihrem Besuch eine Referenz für den geleisteten Dienst. Sie dankte ihnen ausdrücklich für ihre Arbeit. Zwei deutsche Soldaten waren vor kurzem im Einsatz verletzt worden.

Merkel erklärte, Deutschland wolle mit der Anwesenheit von Bundeswehrsoldaten, Polizisten und Rechtsexperten "einen Beitrag dazu leisten, dass die Region sich gut entwickeln kann".

Merkels Besuch wurde von einem enormen Medieninteresse begleitet. An einigen Schulen im Raum Pristina fiel der Unterricht aus, damit die Schülerinnen und Schüler den Besuch der deutschen Regierungschefin erleben konnten - nebst Fähnchenschwingen selbstverständlich. Teilweise waren die Straßen von winkenden Menschen gesäumt.

Der Medienauftrieb, die Selbstverständlichkeit, mit der Merkel im Kosovo empfangen wurde, sind Belege für das ständig wachsende Selbstbewusstsein des Landes. Der Kosovo hatte sich im Februar 2008 gegen starken Widerstand aus Serbien für unabhängig erklärt. Mehr als 80 Nationen haben den Status des Landes inzwischen anerkannt, darunter 22 von 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie die USA. Einige zieren sich aber auch und der Kosovo wirbt weiter um diplomatische Anerkennungen sowie die Aufnahme in internationale Organisationen.

Die Beziehungen zu Serbien sind seit Jahren schwierig. Serbien betrachtet Kosovo weiterhin als Teil seines Staatsgebietes und hat über ein Votum der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Gutachten beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag erwirkt.

Der IGH kam in seinem am 22. Juli 2010 veröffentlichten Gutachten allerdings zu dem Ergebnis, dass die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo vom Februar 2008 das Völkerrecht nicht verletzt. Im März dieses Jahres begann in Brüssel der von der EU moderierte Dialog zwischen Pristina und Belgrad, der die Zusammenarbeit in der Region fördern, für beide Seiten Fortschritte auf dem Weg in die EU erreichen und die Lebensbedingungen vor Ort verbessern soll.

Der Weg dahin gestaltet sich indes mühsam. Im mehrheitlich von ethnischen Serben bewohnten Norden des Landes kommt es an der Grenze zu Serbien immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit KFOR-Soldaten - erst Ende November wurden dabei auch zwei deutsche Soldaten verletzt. Im Juli kam es zu den schwersten Ausschreitungen seit 2008. Auslöser war ein Handelsstreit um Zollstempel.

Die Grenzstreitigkeiten belasten auch die Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens. Serbien hatte eigentlich gehofft, beim vergangenen EU-Gipfel in Brüssel den Kandidatenstatus zu erhalten. Daraus wurde angesichts der gewaltsamen Unruhen jedoch nichts. Das Thema soll Ende Februar wieder auf die Tagesordnung kommen. Merkel sagte in Pristina, sie wünsche sich von Serbien unter anderem, dass es zu einem "vernünftigen Warenverkehr" mit dem Kosovo kommt. Wünschenswert sei auch eine gemeinsame Grenzkontrolle. Das Beste sei aber: "Man sucht das direkte Gespräch mit dem jeweiligen Partner".

dapd