Berlin/Hannover (dapd). Ein 500.000-Euro-Kredit aus seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident weckt Zweifel an der politischen Glaubwürdigkeit von Bundespräsident Christian Wulff. Die Grünen im niedersächsischen Landtag warfen Wulff am Dienstag vor, die Abgeordneten getäuscht zu haben. Es geht um einen Privatkredit, den das Ehepaar Wulff vom befreundeten Osnabrücker Unternehmerpaar Geerkens bekam. Mit dem Geld bezahlten die Wulffs nach Angaben des Bundespräsidialamts 2008 ihr Einfamilienhaus in Burgwedel.

Bei dem Fall geht es nicht so sehr um den Kredit an sich, sondern um die Begleitumstände. Das Darlehen stand im Februar 2010 im Mittelpunkt einer Anfrage der Grünen im niedersächsischen Landtag. Die Partei wollte von dem CDU-Politiker Wulff wissen, ob geschäftliche Beziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens oder seinem Firmenumfeld bestünden. Wulff entgegnete, solche Beziehungen hätten nicht bestanden und bestünden nicht, wie das Bundespräsidialamt am Dienstag noch einmal betonte. Aber: "Es bestand eine Vereinbarung mit Frau Edith Geerkens zu einem Darlehen aus ihrem Privatvermögen", erklärte das Amt.

Die konkrete Frage war also offenbar korrekt beantwortet, und so wollten selbst die Grünen Wulff am Dienstag nicht der Lüge bezichtigen. Fraktionschef Stefan Wenzel warf Wulff aber vor, dieser habe sich "dem Bemühen des Parlaments um Aufklärung des Charakters der Beziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens verweigert". In seiner Antwort habe er "mit recht haarspalterischen Auslegungen versucht, diese Beziehungen so weit als möglich im Dunkeln zu lassen".

Dies könne "gegen das Ministergesetz verstoßen haben", sagte Wenzel. Er erinnerte daran, dass Wulff seinerzeit im Landtag wegen einer kostenlosen Aufwertung eines Air-Berlin-Fluges Antworten geben musste. Dieser Urlaubsflug brachte die Familie Wulff nach Florida, wo sie kostenlos in einem Haus des Unternehmers Geerkens wohnen konnte. Dies sei unter Freunden üblich, erklärte die Staatskanzlei seinerzeit.

Anlässlich der Air-Berlin-Affäre hatte Wulff die Messlatte selbst sehr hoch gelegt. Er räumte damals Fehler ein, weil er "jeden auch noch so vagen Verdacht der Annahme eines Vorteils oder gar der Beeinflussbarkeit in seiner Amtsführung vermeiden" müsse.

Auch die SPD im Bundestag hat Zweifel. "Der Fall wirft viele Fragen auf. Für einen Bundespräsidenten gelten ganz besondere Maßstäbe. Deswegen wird Christian Wulff ein großes Interesse haben, alle Fragen aufzuklären", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann in Berlin.

Auch nach Oppermanns Einschätzung hat Wulff den niedersächsischen Landtag nicht belogen. "Aber: Ich kann den Ärger der Abgeordneten des Landtages verstehen. Denn Christian Wulff hat ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt."

Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker bestätigte den Kredit. "Durch den privaten Darlehensvertrag mit der mit dem Bundespräsidenten seit vielen Jahren befreundeten Frau Edith Geerkens wurde 2008 der Kauf des privaten Einfamilienhauses der Eheleute Christian und Bettina Wulff in Burgwedel zu einem Zinssatz von vier Prozent finanziert", erklärte er. Laut "Bild" liehen sich die Wulffs 500.000 Euro und kauften dann für 415.000 Euro das Haus.

Zu dem danach gewährten Privatkredit erklärte Glaeseker, die fälligen Zinsen seien fristgerecht gezahlt worden. "Im Frühjahr 2010 ist dieses Privatdarlehen durch eine Bankfinanzierung mit niedrigerem Zinssatz abgelöst worden."

Laut "Bild" ist Egon Geerkens ein Freund Wulffs und war sogar Trauzeuge bei der ersten Hochzeit des CDU-Politikers. Der Unternehmer aus Osnabrück schuf demnach sein Vermögen mit Geschäften mit Rohstoffen, Schrott, alten Autos, Antiquitäten und Schmuck. Inzwischen habe er seinen Wohnsitz in der Schweiz.

Laut "stern.de" nahm Wulff Geerkens als Teil der Wirtschaftsdelegation in drei Fällen zu Auslandsreisen mit. Weder bei seinen Vorgängern im Amt des Ministerpräsidenten noch bei seinem Nachfolger David McAllister habe Geerkens zu derartigen Delegationen gehört, berichtete das Portal.

Bereits im Januar 2010 hatten die Reisebegleitungen dem Bericht zufolge für kritische Anmerkungen der Opposition gesorgt. Der damalige niedersächsische SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner stellte die Frage, warum "ein ehemaliger Familienunternehmer, der in der Schweiz seinen Ruhestand und den Lohn seiner Arbeit genießt" als Teil einer Wirtschaftsdelegation gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten ins Ausland reise, wie "stern.de" berichtete.

Geerkens Ehefrau bestätigte laut "stern.de", dass ihr Mann seit der Aufgabe eines Juweliergeschäfts in Osnabrück im Jahr 2007 keine geschäftlichen Aktivitäten in Niedersachsen mehr unterhalte.

dapd