Brüssel (dapd). Im Kampf um die Rettung des Euro steht womöglich der Durchbruch bevor: Zum Start des EU-Gipfels in Brüssel gab es am Donnerstagabend Zeichen einer Annäherung über die von Berlin und Paris geforderten Vertragsänderungen. Zahlreiche Länder signalisierten Zustimmung, darunter mit Großbritannien auch einer der größten Kritiker von außerhalb der Eurozone.

Auch Kanzlerin Angela Merkel, die sich vor dem Treffen noch kompromisslos gezeigt hatte, signalisierte Entgegenkommen. "Ich bin ganz gewiss, wie werden ein Ergebnis finden. Wir alle müssen aufeinander zugehen", sagte sie auf einem Kongress der Europäischen Volkspartei in Marseille, bevor sie nach Brüssel weiterreiste. Dort pochte sie erneut auf Vertragsänderungen "in Richtung einer Stabilitätsunion". Die 17 Eurostaaten müssten dafür mehr Verbindlichkeit akzeptieren, die Kommission und der Europäische Gerichtshof mehr Verantwortung bekommen. Ob sich weitere Länder oder alle 27 EU-Mitglieder anschlössen, werde sich zeigen.

Der britische Regierungschef David Cameron, der vorher noch mit einem Veto gedroht hatte, zeigte sich verhandlungsbereit. "Wir müssen offenkundig diese Stabilität in der Eurozone hinbekommen, das ist gut für alle EU-Länder, auch für Großbritannien", sagte er, betonte aber gleichzeitig: "Wir müssen auch Großbritanniens Interessen schützen."

Das Nicht-Euro-Land Dänemark will die von Berlin und Paris geforderten Vertragsänderungen ebenfalls unterstützen. "Wenn die Eurozone dies als Teil der Lösung sieht, sind wir für Vertragsänderungen offen", sagte Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt.

Ein Lösungsweg aus dem Dilemma deutete sich an: Deutschland werde sich einer stärkeren Rolle des IWF nicht entgegenstellen, verlautete aus Delegationskreisen. Die Euroländer wollen möglicherweise den Internationalen Währungsfonds (IWF) um 150 Milliarden Euro aufstocken, damit sich der IWF stärker an der Rettung von Schuldenstaaten engagieren kann. Eine Einigung darauf auf dem EU-Gipfel sei wahrscheinlich, sagte ein Diplomat. Dies wäre möglicherweise der Preis, den Deutschland für das Entgegenkommen anderer Länder zahlen müsste.

In Brüssel soll bis Freitag auf deutsch-französischen Druck eine Vertragsänderung eingeleitet werden, die automatische Sanktionen gegen Defizitsünder und Schuldenbremsen einführt. Vor allem das soll den Glauben der Finanzmärkte in die Gesundung der Eurozone zurückbringen. "Wenn wir am Freitag keine Einigung finden, gibt es keine zweite Chance", appellierte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy.

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte kündigte jedoch seinen Widerstand gegen einen Euro-Vertrag nur für die 17 Staaten der Währungsunion an. "Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir Länder wie Großbritannien, Schweden, Polen und des Baltikums einbinden." EU-Ratschef Herman Van Rompuy hält eine gesetzliche Verankerung der neuen Kontrollbefugnisse für die EU-Institutionen ebenfalls für schwierig, wenn nur die 17 Euro-Staaten dem zustimmen.

Die Hoffnung auf einen Befreiungsschlag dämpfte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mit Blick auf einen weiteren Konfliktpunkt. Er stellte klar, dass die EZB dem Rettungsfonds EFSF nicht finanziell unter die Arme greifen werde. Brüssel und vielen Euro-Staaten geht das nicht weit genug, sie fordern die Stärkung der Brandmauern, um strauchelnde Staaten aufzufangen.

Ärger bei den europäischen Partnern gab es über die deutsche Gipfelrhetorik vor dem Treffen. Äußerungen eines hohen Regierungsbeamten, in denen unter anderem von der "typischen Brüsseler Trickkiste" die Rede war, hätten "für Verstimmungen" gesorgt, hieß es.

Vor dem Gipfelauftakt senkte die Europäische Zentralbank in Frankfurt den Leitzins von 1,25 auf 1,00 Prozent und machte das Geldleihen dadurch billiger. Um das unter Druck geratene Finanzsystem in der Eurozone weiter zu stabilisieren, gewährt die EZB Banken nun Kredite mit drei Jahren Laufzeit, bislang liefen die längsten Maßnahmen lediglich zwölf Monate.

Wenig später gab es einen deutlichen Dämpfer. Der aktuelle Banken-Stresstest ergab, dass sechs deutsche Institute Kapitalspritzen von zusammen 13,1 Milliarden Euro benötigen. Betroffen seien vor allem die Commerzbank und die Deutsche Bank, teilte die deutsche Finanzmarktaufsicht BaFin mit.

Am Morgen hatte Standard & Poor's der gesamten EU mit einer Herabstufung gedroht, wenn nicht bis zum Montag eine überzeugende Lösung der Schuldenkrise gefunden werde.

dapd