Berlin (dapd). Ermittler in Bund und Länder arbeiten mit Hochdruck an der Aufklärung der Mordserie der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle. Derzeit sind bereits 400 Ermittler im Einsatz, weitere 50 sollen hinzukommen. Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt (BKA) wollen an diesem Donnerstag über den aktuellen Stand der Ermittlungen gegen die rechtsextreme Terrorgruppe NSU informieren. Dazu werden Generalbundesanwalt Harald Range und BKA-Präsident Jörg Ziercke erwartet. In der Debatte um ein neues NPD-Verbotsverfahren hat der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Hans-Joachim Jentsch, Bundestag und Bundesrat Versäumnisse vorgeworfen.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit 11. November gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)". Die Gruppierung soll bundesweit für neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft in den Jahren 2000 bis 2006, den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn vom April 2007 und zwei Bombenanschläge in Köln von 2001 und 2004 verantwortlich sein. Derzeit befinden sich vier Beschuldigte in Untersuchungshaft.

Nach Informationen der Tageszeitung "taz" will das BKA die Bevölkerung zur Hilfe bei Ermittlungen gegen die NSU bitten. Dazu soll an diesem Donnerstag ein Fahndungsplakat veröffentlicht werden. Die Bevölkerug wird gefragt, ob jemand in den vergangenen Jahren die mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gesehen hat.

Dadurch erhofften sich die Ermittler Hinweise auf weitere mögliche Unterstützer oder Kontaktpersonen des Trios. Eine wichtige Rolle spielten dabei Wohnmobile, die von den NSU-Terroristen nicht nur für ihre Taten, sondern auch für Urlaubsreisen benutzt worden sein sollen.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier macht sich erneut für einen Neuanlauf zu einem NPD-Verbot stark. "Wir müssen die NPD neu in den Blick nehmen und ein Verbot ernsthaft angehen", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagausgabe). Die Biografie der Täter zeige, dass die Trennung zwischen einer parlamentarisch aktiven NPD und einer gewaltbereiten Szene außerhalb von ihr künstlich gewesen sei. "Dort ist ein Netzwerk entstanden, in dem die Beteiligten mit verteilten Rollen spielen. Sie arbeiten aber gemeinschaftlich daran, die Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaft zu zerstören," sagte Steinmeier.

Der ehemalige Verfassungsrichter Jentsch sieht Versäumnissen bei Bundestag und Bundesrat im Vorfeld eines neuen NPD-Verbotsverfahrens. "Man hätte das Bundesverfassungsgerichtsgesetz ändern können, bevor man jetzt möglicherweise wieder in die Schlacht zieht", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstagausgabe).

Das Gesetz sehe nämlich vor, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit - also sechs von acht Richtern des zuständigen Senats - für das Verbot stimmen müssten. "Eine einfache Mehrheit reicht. Ich würde das Quorum ändern." Wenn man das Gesetz aber jetzt unmittelbar vor Beginn eines womöglich neuen Verbotsverfahrens ändern würde, "dann hätte das ein Geschmäckle". Im Grunde sei es dafür schon zu spät.

Die Landesverfassungsschutzämter Bayern und Baden-Württemberg haben dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, derweil versichert, dass nach ihrer Kenntnis keine ihrer Mitarbeiter beim Heilbronner Polizistenmord am Tatort gewesen seien. Dies habe Fromm am Mittwoch in der Sitzung des Bundestags-Innenausschusses berichtet, wie die "Passauer Neue Presse" (Donnerstagausgabe) aus Teilnehmerkreisen erfuhr.

Das Hamburger Magazin "Stern" hatte berichtet, dass bei dem Mord an der Polizistin Michèle Kieswetter in Heilbronn Verfassungsschützer Augenzeugen gewesen sein könnten. Dies gehe aus einem geheimen Observationsbericht des amerikanischen Geheimdienstes DIA hervor. Die Agenten hätten zeitgleich mit den Verfassungsschützern in der Nähe des Tatortes Verdächtige eines anderen Verfahrens beobachtet.

dapd