Berlin (dapd). Ein mit 100 Millionen Euro ausgestatteter Fonds soll Opfer sexuellen Missbrauchs in Deutschland unterstützen. Bund und Länder stellen jeweils die Hälfte dieser Summe für Hilfe und Therapien zur Verfügung, wie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Abschlussberichts des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch sagte. Eine zentrale Clearingstelle soll die Ansprüche prüfen. Die Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche werden auf 30 Jahre angehoben, die Stellung von Opfern im Strafprozess soll weiter gestärkt werden.

Der Opferverband NetzwerkB kritisierte indessen die Beschlüsse.

Der Runde Tisch Kindesmissbrauch wurde im März 2010 von der Bundesregierung beschlossen. Anlass waren die vielen bekannt gewordenen Missbrauchsfälle aus der Vergangenheit in staatlichen, privaten und kirchlichen Einrichtungen.

Leutheusser-Schnarrenberger betonte, die Beschlüsse des Runden Tisches seien einstimmig gefallen. Der Abschlussbericht enthalte eine Reihe von Empfehlungen an den Gesetzgeber und die Institutionen. Deutlich geworden sei, dass ein "Lernprozess für die gesamte Gesellschaft notwendig" sei.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) kündigte eine Präventionskampagne an, mit deren Hilfe für das Thema Sexueller Missbrauch sensibilisiert werden soll. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) will 30 Millionen Euro für Forschungsprojekte, beispielsweise über die Traumatisierung von Opfern oder die Gewaltvorbeugung, zur Verfügung stellen.

Der Opferverband NetzwerkB kritisierte die Beschlüsse. Der Vorsitzende Norbert Denef sagte dapd: "Der Runde Tisch ist gescheitert: Dies war vorauszusehen und überrascht uns nicht." Der Bericht enthalte vor allem Empfehlungen und keine konkreten Ergebnisse. Denef kündigte an, Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche zu erheben. Dass diese nun auf 30 Jahre erhöht worden seien, sei "nicht ausreichend - die Verjährungsfristen müssen weg".

Die Grünen-Fraktionsvize und Mitglied des Runden Tisches, Ekin Deligöz, sagte, der "Abschlussbericht kann und darf kein Schlussstrich sein". Es bleibe eine "Daueraufgabe der Politik und der gesamten Gesellschaft, die Sensibilität für das Thema wachzuhalten und die Aufklärungsarbeit auszuweiten". Die Linke-Politikerin Diana Golze forderte, dem Runden Tisch müssten nun konkrete Gesetzesvorhaben folgen.

Von der Deutschen Bischofskonferenz hieß es, mit dem Abschlussbericht sei das Thema "Sexueller Missbrauch" nicht erledigt. "Als katholische Kirche hätten wir uns in manchen Punkten eine zügigere Meinungsbildung gewünscht, so etwa beim Thema der Schmerzensgeldzahlungen", sagte Bischof Stephan Ackermann. Deshalb habe man 2010 ein eigenes Konzept zur materiellen Anerkennung des Unrechts vorgelegt und umgesetzt.

Mit der Aufdeckung von Vorgängen am katholischen Canisius-Kolleg im Januar 2010 über den sexuellen Missbrauch an der Einrichtung in den 70er und 80er Jahren begann eine umfassende Aufklärung von Missbrauchsfällen an Schulen, Kirchen und Heimen.

dapd