Brüssel (dapd). Neben den Ratingagenturen knüpft sich Brüssel jetzt auch die vier großen Wirtschaftsprüfer vor: Durch das Aufbrechen von deren Oligopol will Binnenmarktkommissar Michel Barnier für verlässlichere Bewertungen von Banken, Versicherern und großen Unternehmen sorgen. Die EU-Kommission legte am Mittwoch ein Maßnahmenpaket vor, über das die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament nun beraten werden.
Nach Überzeugung Brüssels hat die Finanzkrise 2008 schwerwiegende Mängel im Markt der Wirtschaftsprüfer offengelegt. So seien Banken gute Zeugnisse ausgestellt worden, obwohl sie vor dem Zusammenbruch gestanden hätten.
Ein Exempel für Schwächen im Prüfbereich war zuletzt die Bilanzpanne bei der Hypo Real Estate, wo PwC-Experten ein Buchungsfehler über 55,5 Milliarden nicht aufgefallen war. "Das Investorenvertrauen in die Wirtschaftsprüfer ist von der Krise erschüttert worden", sagte Barnier am Mittwoch. Deswegen "sind Veränderungen notwendig, um das Vertrauen in die Prüfergebnisse wiederherzustellen".
Den Markt in der EU teilen sich zu 90 Prozent die sogenannten "Big 4", Deloitte, Ernst & Young, KPMG and PricewaterhouseCoopers (PwC). Barnier will kleinen Konkurrenten den Markt öffnen. Neben der Marktdominanz sind der Kommission auch mögliche Interessenkonflikte ein Dorn im Auge.
Denn die Unternehmen verkaufen neben der Rechnungsprüfung auch noch Beratungsleistungen, was Abhängigkeiten zur Folge hat. Zu seinen vorgeschlagenen Maßnahmen gehört, dass Unternehmen nach sechs Jahren ihre Prüfer wechseln müssen. Zugleich will er verbieten, dass ein Unternehmen von derselben Firme geprüft und beraten wird. Darüber hinaus soll die Aufsicht durch nationale und europäische Behörden verstärkt werden.
Die betroffenen Gesellschaften hatten schon vorab vor einer Zerschlagung gewarnt, die jede Verhältnismäßigkeit vermissen lasse. Kritische Stimmen gibt es auch im EU-Parlament. So mahnte der konservative britische Abgeordnete und Berichterstatter Syed Kamall, ein zu starker Eingriff könne bedeutende unbeabsichtigte Folgen haben. Ein Wettbewerbszwang könne den Markt auch schwächen.
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