Berlin (dapd). Die Riester-Rente ist nach Ansicht von Wissenschaftlern für viele Sparer ein schlechtes Geschäft. "Die Riester-Produkte haben sich seit der Einführung zuungunsten der Sparer entwickelt", sagte die Expertin für Verbraucherpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Kornelia Hagen, am Mittwoch in Berlin. Damit die Zusatzrente tatsächlich zur Altersvorsorge für alle werden könne, müsste sie "dringend grundlegend reformiert werden".

Anlass für die Bilanz der Experten ist das zehnjährige Bestehen der Riester-Rente. Die DIW-Wissenschaftler und der Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein, der mittlerweile Vorstandschef des Bundes der Versicherten ist, kamen zu einem noch schlechteren Ergebnis, als sie angenommen hatten. "Die Dimension hat mich schon erschreckt", sagte Hagen. Kleinlein fügte hinzu: "Riester rentiert sich für viele nicht, kann sich für wenige aber noch rentieren."

Hagen warf den Versicherungen vor, mit einer sehr hohen Lebenserwartung der Kunden zu kalkulieren, was für die Verbraucher aber nicht zu erkennen sei. Die Experten kritisieren vor allem zwei Veränderungen zuungunsten der Sparer. Zum einen können Versicherungen seit 2008 einen größeren Teil des Geldes behalten, den sie wegen eines relativ frühen Todes eines Versicherten nicht auszahlen müssen. Früher mussten mindestens 90 Prozent davon in einen Topf kommen, der den übrigen Versicherten zugutekommt; heute sind es nur noch 75 Prozent.

Zum anderen ist der Anteil des Geldes, der zu Rentenbeginn für den Fall eines besonders langen Lebens des Versicherten zurückgelegt wird, in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Hintergrund ist, dass die Versicherungen den Fall absichern müssen, dass ein Riester-Sparer älter als 85 Jahre alt wird.

Die Beispielrechnung der Experten zeigt, dass für einen 35 Jahre alten Mann, der 2001 einen Riester-Vertrag abschloss, 12,7 Prozent des eingezahlten Kapitals für diesen Fall zurückgelegt wurde. 2011 wären es bereits 33,2 Prozent, auch weil die Beiträge für Frauen und Männer mittlerweile vereinheitlicht wurden. Je mehr Geld für das Risiko der Langlebigkeit zurückgelegt wird, desto niedriger fallen die monatlichen Rentenzahlungen aus.

Die verschlechterten Bedingungen für Sparer führt Kleinlein auf den "zunehmenden Willen und die zunehmende Kreativität" der Versicherungsunternehmen zurück, den gesetzlichen Rahmen zu ihren Gunsten auszureizen.

Trotz der enttäuschenden Bilanz raten die Experten von Schnellschüssen ab. "Altersvorsorge ist immer eine der teuersten Dinge, die man sich im Leben leistet, da gibt es keinen Königsweg", sagte Kleinlein.

DIW-Vorstandsvorsitzender Gert Wagner warnte Geringverdiener davor, ihre Riester-Verträge wegen der Anrechenbarkeit auf die Grundsicherung aufzulösen. Dies sei wegen der Abschlusskosten in jedem Fall eine teure Lösung und wahrscheinlich nicht erforderlich, weil sich die gesetzliche Regelung zur Grundsicherung wahrscheinlich ändern werde.

Der Studie zufolge "riestern" nicht nur Geringverdiener, sondern auch Personen mit niedrigem Bildungsabschluss und Migrationshintergrund seltener als der Schnitt. So sei etwa der Anteil der Riester-Sparer unter westdeutschen Männern mit Hochschulabschluss mit gut 35 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe mit niedrigem Bildungsabschluss. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen steige außerdem die Wahrscheinlichkeit, einen Riester-Vertrag zu besitzen, mit der Zahl der Kinder.

Angesichts der Mängel im System der Riester-Rente fordert das DIW, vor allem die Transparenz und Vergleichbarkeit der Rieser-Verträge zu erhöhen, etwa durch standardisierte Kosteninformationen, eine inhaltlich bewertende Zertifizierung der Riester-Produkte und nachvollziehbare Kalkulationsgrundlagen. Außerdem müssten Wechselkosten wegfallen.

dapd