Berlin (dapd). Zunächst muss Klaus Wowereit ein wenig warten. Erst beendet die Piraten-Fraktion am Dienstag einen bereits begonnenen Tagesordnungspunkt. Dann ist der SPD-Politiker dran. Piraten-Fraktionschef Andreas Baum erlaubt sich zum Auftakt eine kleine Spitze: "Klaus Wowereit stellt sich bei uns vor, er möchte wiedergewählt werden."

Am Donnerstag ist im Abgeordnetenhaus die Wahl zum Regierenden Bürgermeister anberaumt. Wowereits dritte Amtszeit gilt als sicher. Dennoch besucht er so kurz vor der Wahl eine Fraktion. Wowereit spielt das Novum und das Warten herunter und sagt freundlich: "Ich bin gern gekommen."

Wowereit gibt als Beruf "Berliner" an

Dann bitten die Piraten um eine Vorstellung des Gastes - ausgerechnet von dem wohl prominentesten deutschen Landeschef überhaupt. Wowereit macht die Sache kurz und sachlich. In wenigen Sätzen skizziert er seinen politischen Werdegang. Als Beruf gibt er einfach an: "Berliner". Das sitzt.

Die angriffslustigen Piraten haben eine Menge Fragen vorbereitet, finden sich jedoch plötzlich in einem langen Exkurs des alten und neuen Regierungschefs über die künftige Politik der SPD-CDU-Koaltion wieder. Ein Pirat verliert da die Geduld und lässt sich zur Frage nach dem "Wie lange noch" hinreißen.

Mit Wowereits rhetorischem Ausflug haben die Beteiligten nicht gerechnet - und wohl auch nicht die Zuschauer des Livestreams, der die Sitzung im Internet überträgt. Eifrig entlädt sich ein Twittergewitter aus der Sitzung und in die Sitzung. Die Sitzungsleitung aber liegt offensichtlich in der Hand des Regierenden, der schelmisch lächelt und einfach weiter spricht.

So wird das mehr als 80 Minuten weiter gehen. Ein Pirat stellt seine angriffslustige Frage, Wowereit antwortet: sachkundig, ausführlich, freundlich, bestimmt. Das gilt selbst für die beleidigt wirkende Frage des Abgeordneten Christopher Lauer, warum nicht einmal die Option von Rot-Grün-Orange erwogen oder besprochen wurde, als Wowereit noch mit den Grünen liebäugelte.

Später wird der Regierende die Parlamentsneulinge noch geschickt in die Welt der Haushaltsdisziplin und Sparzwänge einführen. Ein Exkurs, dessen Aufbau ihm wohl ein Dutzend weitere Fragen erspart haben dürfte.

Wowereit zeigt klare Kante

Nur bei der Personalie Dilek Kolat wird Wowereit hart. Die SPD-Frau könnte am Montag als Senatorin für Arbeit und Integration präsentiert werden. Weil aber ihr Mann Kenan Kolat für den Türkischen Bund auf Landes- und Bundesebene aktiv ist, befürchten Migrantenvereine "Filz" - oder warnen zumindest vor einem solchen Eindruck. Hintergrund sind die aus dem Fachressort fließenden Fördermittel.

Zunächst amüsiert sich Wowereit zwar, dass schon Posten verteilt würden, bevor überhaupt eine Entscheidung getroffen worden sei. Er habe sogar schon von Leuten gehört, die einen Posten abgelehnt hätten, obwohl sie gar nicht gefragt wurden. Dann aber gibt er klar zu verstehen: "Es ist unerträglich, dass in einer Gesellschaft, wo Männer und Frauen einen Beruf ausüben, jemand einem Generalverdacht ausgesetzt wird." Dagegen verwahre er sich. Sicher müssten im Falle eines Interessenkonfliktes Verflechtungen offen gelegt werden. Aber ein Berufsverbot dürfe nicht sein. Der Fragesteller schaut betroffen. Und Wowereit wartet auf die nächste Frage.

Am Ende erhält er von den Zuschauern im Raum Applaus. Was mit seiner Wahl würde, war die letzte Frage. Wowereit ermunterte die Piraten, ihre Rolle als "Die, die alles anders machen wollen" doch gerecht zu werden, und einfach ihn zu wählen - gerade, weil das eine etablierte Opposition ja nicht tun würde.

dapd