Leichlingen/Essen. . Die rheinische Gemeinde Leichlingen will künftig Eltern, die ihre Kinder zu spät aus dem Kindergarten abholen, zur Kasse bitten. Zehn Euro pro angefangene Viertelstunde hält die Verwaltung für angemessen. Angedroht hat die Stadt dies den Eltern schon lange, genützt hat die Drohung nichts. Nun soll kassiert werden.

Es reicht. Die Stadt Leichlingen macht offenbar ernst. Eltern, die die Abholzeiten in den örtlichen Kindergärten nicht ernst nehmen, könnten bald zur Kasse gebeten werden. Der Plan: Wer sein Kind und die Erzieherinnen länger als 15 Minuten warten lässt, ist mit 10 Euro Bußgeld dabei. In bar zu zahlen direkt in der Kita. Pro angefangene Viertelstunde erhöht sich die Strafe um zehn Euro. Das Geld geht dann an die Kommune.

„Ja, es stimmt, wir denken tatsächlich über die Einführung eines ,zusätzlichen Entgeltes’ nach“, bestätigt Ute Gerhards, Sprecherin der Kommune. Den Stein ins Rollen bringen „zwei, drei extreme Einzelfälle“, wie Gerhards sagt: Eltern, die immer wieder ihre Kleinen nicht um 17 Uhr, sondern erst um 21 Uhr oder noch später abholen. Sogar die Polizei soll schon nach diesen Eltern gesucht haben.

Der Wunsch nach einem Bußgeld komme direkt aus den Kindertageseinrichtungen, von den Erzieherinnen. „Sie klagen oft über Verspätungen der Eltern und sagen: Wir haben auch Kinder. Wer denkt denn an uns?“ Als strenger Geldeintreiber will die Kommune aber nicht auftreten. Das Bußgeld würde fällig, „wenn Eltern wiederholt und ohne triftigen Grund“ ihre Kinder nicht rechtzeitig abholen. Keiner müsse fürchten, in der Kita abkassiert zu werden, wenn er vorher im Stau stand. Der Jugendhilfeausschuss soll nun über das Thema beraten. Schon im Jahr 2008 hatte das Verwaltungsgericht Gießen geurteilt: „Eine Gemeinde ist berechtigt, eine besondere Verspätungsbebühr einzuführen für den Fall, dass ein Kind nicht pünktlich vom Kindergarten abgeholt wird.“

„Schräge Idee“

Berthold Paschert , Sprecher Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW, hält es für eine „schräge Idee“, Eltern auf diese Weise zur Kasse zu bitten. „Zielführend ist das auf keinen Fall. Wir dürfen den Müttern und Vätern nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Das Problem, das dahinter steht, ist die knappe Zeit. In den Kindertageseinrichtungen fehlt Personal, manchmal kommt es da auf jede Viertelstunde an. Außerdem sind die Öffnungszeiten nicht immer sehr elterngerecht.“

Christiane Peil-Seuß, Bereichsleiterin des städisches Betriebs Fabido in Dortmund hält ebenfalls nichts von den Plänen aus Leichlingen: „Es gibt in Dortmund keine Strafgebühren für Eltern, und das ist auch gut so. Wir sollten nicht versuchen, über die Kinder die Eltern zu erziehen. Das ist pädagogisch völlig sinnlos.“

Vertrauen statt Bestrafen

Die Arbeiterwohlfahrt in Essen, selbst Trägerin zahlreicher Kitas, zweifelt ebenfalls am Sinn von Strafmaßnahmen: „Es kommt natürlich vor, dass Eltern ihre Kinder zu spät abholen, aber das ist eher die Ausnahme. Strafen würden das Verhältnis zwischen Erzieherinnen und Eltern nur belasten. Wir müssen Probleme mit gegenseitigem Vertrauen regeln und nicht mit Sanktionen.“

Andreas Blanke, Vorsitzender des Landeselternrates, ist sicher, dass Strafzahlungen nicht der richtige Weg sind: „Die starren Öffnungszeiten seit Einführung des KibiZ mit fest zu buchenden Betreuungszeiten sind das Problem. Viele Eltern möchten 45 Betreuungsstunden buchen, bekommen aber nur 35 bewilligt. Wer 35 Stunden arbeitet, kann dann gar nicht pünktlich sein. Und wenn dann auf dem Heimweg von der Arbeit ein Stau in die Quere kommt, ist es einfach nicht mehr pünktlich zu schaffen.“ Zumal von Berufstätigen ja auch Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort erwartet werde. „Ich wollte für meine Tochter auch mehr Stunden buchen als ich bekommen habe. Allerdings regelt unsere Kita das zum Glück unproblematisch. Wenn ich rechtzeitig anrufe und sage, dass es eine halbe Stunde später wird, ist das kein Problem.“

„Strafgeld? Für uns unvorstellbar“

Strafgeld für Eltern, die zu spät kommen: „Das ist für uns unvorstellbar. Wenn Eltern öfters zu spät kommen, sprechen wir mit ihnen und suchen gemeinsam eine Lösung. Irgendwie finden wir die immer,“ erklärt Kristina Kehler, Sprecherin des katholischen Kita-Zweckverbandes im Bistum Essen, der Träger von 272 Kitas ist. Es gebe tatsächlich das Problem, dass nicht alle Betreuungswünsche erfüllt werden könnten. Aber das dürfe auf gar keinen Fall auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Allerdings gibt es nach ihrer Erfahrung meist auch andere Gründe für chronisches Zuspätkommen, wenn Eltern ihr Kind aus welchen Gründen auch immer über Stunden warten lassen, was ja auch eine schlimme Belastung für das Kind sei. „Aber auch da helfen nur Gespräche und eine Lösung für die Ursache zu finden, keine Strafzahlungen.“

„Wer für einen 35-Stunden-Platz bezahlt, kann sein Kind nicht einfach länger in der Kita lassen. Aber natürlich gibt es in Duisburg keine Strafen für Eltern und keine Vertragskündigungen. Wir sprechen in solchen Fällen mit den Eltern und suchen nach Lösungen. Mit Tagesmüttern zu den Randzeiten zum Beispiel. Da können wir immer helfen“, versichert Thomas Krützberg, Leiter des Jugendbereichs in Duisburg.

Studie zeigte: Bußgeld bewirkt das Gegenteil

Für Gelsenkirchen sind Strafzahlungen kein Thema, erklärt Stadtsprecher Martin Schulmann: „Wir wollen den Eltern helfen und sie nicht bestrafen. Strafen verhängt man gegen Menschen, die böswillig handeln. Davon gehen wir bei Eltern nicht aus. Und wenn jemand beständig sein Stundenkontingent überzieht, dann wird er freundlich gebeten, aufzustocken. Bei Kindern über drei Jahren geht das bei uns fast immer“.

Vor ein paar Jahren hatten übrigens US-Forscher in israelischen Kindergärten untersucht, wie Eltern auf solche Strafen reagieren. Das Ergebis überraschte: Nach Einführung einer Strafgebühr fürs späte Aholen wurden die Eltern eher noch unpünktlicher. Grund: Die Verspätung hatte nun sozusagen einen Preis. Es war auf einmal nicht mehr „Ehrensache“, pünktlich vor der Kindergartentür zu stehen.