Washington (dapd). Der neue Publikumsliebling im Vorwahlkampf der US-Republikaner um die Präsidentschaftskandidatur, Herman Cain, sieht sich schweren Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe ausgesetzt. Sharon Bialek, eine von vier Frauen, die Cain wegen sexueller Angriffe beschuldigen, ist nun als erste damit vor die Kameras getreten. Cain weist alles zurück.

Bialek schilderte auf einer Pressekonferenz in New York, wie sie 1997 auf der Suche nach einem Job auf Cain traf. Sie war gerade von der Ausbildungsstiftung des nationalen Verbandes der Restaurants entlassen worden, dessen Vorsitzender Cain damals war. Sie habe Cain zuvor in offiziellen Funktionen im Beisein ihres Freundes, eines Arztes kennengelernt, erzählte Bialek.

Nach ihrer Entlassung habe ihr Freund ihr geraten, Cain um Hilfe bei der Suche nach einem neuen Job zu bitten. Im Juli 1997 fuhr sie nach Washington, um Cain persönlich zu treffen. Ihr Freund, erinnerte sich Bialek, buchte für sie ein Zimmer im Hilton-Hotel. Doch als sie ankam, führte man sie in eine Suite. Als sie Cain später in der Hotelbar traf, um mit ihm zum Essen in ein italienisches Restaurant zu gehen, habe der ihr eröffnet, dass er für die Höherstufung verantwortlich war.

Nach dem Essen habe Cain sie dann mit seinem Auto zum Hotel bringen wollen und sei dabei zum Gebäude mit dem Büro seines Verbands gefahren, berichtete Bialek weiter. Der Verbandschef parkte aber in einiger Entfernung von dem Haus und fragte sie, warum sie in Washington sei. Sie antwortete, ihr Freund habe ihr geraten, sich wegen eines Jobs an ihn zu wenden, denn der habe bei früheren Gelegenheiten den Eindruck gehabt, dass Cain sie mochte.

Dann, so schilderte Bialek den Vorfall weiter, fasste Cain ihr unter den Rock und zog ihren Kopf in Richtung seines Schritts. Als sie ihn fragte, was er da tue, habe Cain geantwortet: "Du suchst doch einen Job, oder nicht?" Nachdem sie sich seinem Annäherungsversuch widersetzte, habe Cain sie zum Hotel zurückgefahren.

Die Frau gab an, sie habe damals keine Beschwerde am Arbeitsplatz eingereicht, weil sie nicht mehr beim Restaurant-Verband beschäftigt gewesen sei.

Cain widersprach dieser Darstellung am Montagabend (Ortszeit) scharf und kündigte an, er werde dagegen vorgehen. "Da ist kein Funken Wahrheit in all diesen Anschuldigungen", sagte er in der Talkshow "Jimmy Kimmel Live". "Ich werde die Sache richtigstellen".

Er sei wütend und empört, erklärte Cain. Das alles sei "vollständig erfunden". Bialeks landesweit ausgestrahlte Pressekonferenz markierte eine gefährliche Wende in einer Auseinandersetzung, die seit einer Woche gärt. Vorher war nur bekannt geworden, dass zwei Frauen, die im Restaurant-Verband arbeiteten, Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen Cain erhoben haben. Eine dritte sagte der Nachrichtenagentur AP, sie habe erwogen, eine Arbeitsplatzbeschwerde gegen Cain zu erheben, weil der anzügliche Bemerkungen und Gesten gemacht und sie in sein Appartement eingeladen habe. Ein früherer Meinungsforscher des Verbands gab an, er sei Zeuge einer weiteren Episode mit einer vierten Frau gewesen.

Zu den Motiven für ihren öffentlichen Auftritt befragt, antwortete Bialek, sie habe gehofft, Cain würde nach ihren Enthüllungen eine Pressekonferenz einberufen und sich entschuldigen. Statt dessen habe der alles strikt abgestritten. "Ich weiß, was passiert ist und er weiß, was passiert ist", sagte sie im Sender CNN. "Mein ganzer Beweggrund war, ihm Gelegenheit zu geben, Stellung zu beziehen und zu erklären: 'Hey, es tut mir leid. Ich tat das. Es ist passiert. Und lass uns vorwärtsgehen.' (...) Ich bin sehr enttäuscht, dass er die Gelegenheit nicht genutzt hat."

Als man sie fragte, ob Cain Präsident werden sollte, antwortete Bialek: "Ich glaube nicht, dass wir jemanden im Weißen Haus haben können, der unfähig ist, die Wahrheit zu sagen."

Bialeks Anwältin Gloria Allred beschrieb ihre Mandantin bei der Pressekonferenz als alleinerziehende Mutter aus Chicago mit einem 13-jährigen Sohn. Sie machte keine Angaben darüber, wovon Bialek lebt. Offenbar um Vorwürfen gegen ihre Klientin vorzubeugen, beschrieb die Anwältin Bialek als eine eingeschriebene Republikanerin mit einer langen und erfolgreichen Arbeitsgeschichte. Die angesehene Rechtsanwältin ist auf Diskriminierungs-Fälle spezialisiert. Cains Wahlkampf-Mannschaft charakterisierte Allred als eine hochgeschätzte Spenderin und Aktivistin der Demokratischen Partei.

Cain war als Senkrechtstarter im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bei den Umfragen an die Spitze katapultiert worden. Er galt neuerdings als der wichtigste konservative Herausforderer des ehemaligen Gouverneurs von Massachusetts, Mitt Romney. Bisher gab es kaum Anzeichen, dass die Anschuldigungen Cain geschadet hätten. Dennoch dürften sich Cains Mitbewerber heimlich über die Vorwürfe gegen den früheren Geschäftsmann freuen.

Einige Republikaner, darunter Cains Rivale Jon Huntsman und der Gouverneur von Mississippi, Haley Barbour, drängten Cain, ausführlicher Stellung zu den Beschuldigungen zu beziehen. Mitt Romney schwieg zu der Affäre. Bei seiner Wahlkampfreise durch Iowa testete er eine Neufassung seiner Standard-Rede, in der er seine neue Wirtschaftspolitik erläuterte. Romney gelobte, in seinen vier ersten Amtsjahren als Präsident das Staatsdefizit um 500 Milliarden Dollar zu senken.

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