Berlin (dapd). Vor dem Koalitionsgipfel am Sonntag erinnern Gewerkschaften, Wirtschaft und Opposition an ihre Steuerwünsche. Gewerkschaften und SPD wollen die Steuern überhaupt nicht senken. Handwerk und Arbeitgeber wünschen sich eine niedrigere Einkommensteuer. Die als Alternative dazu diskutierte Senkung des Solidaritätszuschlags nähmen sie aber auch gern mit. Gleichzeitig soll die Regierung auch noch sparen. Pragmatisch gibt sich die FDP. Ihr haushaltspolitischer Sprecher Otto Fricke sagte, Steuersenkungen müssten die "Richtigen" treffen. Der Weg dahin sei ihm "schnurzpiepegal".

Die SPD will auch angesichts verbesserter Steuereinnahmen von Steuersenkungen nichts wissen. "Mögliche höhere Steuereinnahmen müssen in den Schuldenabbau und in Zukunftsinvestitionen gesteckt werden", sagte Generalsekretärin Andrea Nahles den "Stuttgarter Nachrichten". "Es ist unseriös, so zu tun, als hätten wir Spielräume für Steuersenkungen, die die Menschen sowieso nur mit ganz wenigen Euro entlasten würden." Die Koalition plane immer noch mit knapp 30 Milliarden Euro Neuverschuldung für 2012.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, sagte, angesichts der Schuldenkrise in Europa passe eine Steuersenkung nicht ins Bild. "Und sie bringt auch nichts: Die geplante Entlastung wäre so gering, dass sie für eine Steigerung der Binnennachfrage nicht taugt", sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gab sich zugeknöpft. "Die Diskussion um Steuersenkungen ist völlig verfehlt und sollte sofort beendet werden", sagte der CDU-Politiker der "Welt". "Wir müssen international brisante finanz- und währungspolitisch Fragen lösen und sollten uns deshalb nicht mit Debatten belasten, die eher aus innenpolitischen Gesichtspunkten auf die Tagesordnung gesetzt wurden."

Handwerk möchte Steuern und Soli gesenkt haben

Der Generalsekretär des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke, sagte, die Politik dürfe Steuergerechtigkeit nicht gegen eine Senkung des Solidaritätszuschlags ausspielen. Die Dämpfung der kalten Progression bei der Einkommensteuer aber sei eine Frage der Steuergerechtigkeit. "Wir müssen konsolidieren, aber wir brauchen ebenso ein Steuersystem, das gerecht ist - auch für die kleineren und mittleren Einkommen", sagte er der "Braunschweiger Zeitung". Ein erheblicher Teil der in der neuen Steuerschätzung vorhergesagten Mehreinnahmen stamme aus der kalten Progression. Durch die kalte Progression werden kleinere Lohnzuwächse von einem höheren Steuertarif aufgezehrt.

Dessen ungeachtet verlangte Schwannecke auch eine Senkung des Solidaritätszuschlags. "Die Gelder aus dem Solidaritätszuschlag werden nicht mehr so genutzt, wie ursprünglich gedacht, die Abgabe müsste folglich heruntergefahren werden", sagte er.

Arbeitgeber ziehen Steuersenkungen vor

Die Arbeitgeber ziehen die Senkung von Steuern einem geringen Solidaritätszuschlag vor. "Langfristig ist natürlich auch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags richtig", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt der Zeitung "Die Welt. "Wenn jetzt die Möglichkeit einer steuerlichen Entlastung besteht, empfehle ich aber eher den Abbau der kalten Progression, weil derzeit jede Lohnerhöhung zur überproportionalen Steuererhöhung führt."

Der Präsident der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) mahnte die Koalition zum Sparen. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch Deutschland die Stabilitätskriterien verletzt", sagte Hundt.

FDP nennt Bedingungen

Fricke sagte, eine Steuererleichterung müsse die "Richtigen" treffen und Arbeitsplätze sichern. Ein gangbarer Weg sei eine Entlastung der Bürger über den Solidaritätszuschlag. "Wenn man in den unteren Einkommensgruppen beim Solidaritätszuschlag entlastet, kommt das den Bürgern in den neuen Ländern überproportional zugute", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Fricke nannte drei Bedingungen für Steuersenkungen. Erstens müsse die Schuldenbremse eingehalten werden; zum anderen müssten Steuererleichterungen den Stützen der Gesellschaft zugute kommen, die geringe Möglichkeiten haben, Rücklagen zu bilden; und drittens seien Mehrausgaben nur vertretbar, falls sie zur Standortsicherung dienen.

Der Vorsitzende des Bundestagswirtschaftsausschusses, Ernst Hinsken (CSU), forderte, Schuldenabbau und Haushaltskonsolidierung müssten Vorrang vor Steuersenkung haben. Die von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagenen Steuerpläne bedeuteten für einen Durchschnittsverdiener mit einem Bruttomonatslohn von 2.500 Euro nur eine Entlastung um etwa 16,66 Euro im Monat. "Das ist nicht der große Wurf", sagte Hinsken der "Passauer Neuen Presse".

dapd