Lebt man in einer Beziehung, darf es nur noch die eine oder den einen geben. Das jedenfalls ist die gängige Meinung. Zeit damit aufzuräumen und umzudenken. Offene Beziehungen sind mehr als eine Alternative zur „klassischen“ Partnerschaft. Und viel besser geeignet, um dauerhaft zusammen zu bleiben.

Ach ja, das Ding mit der Liebe und der Treue! Lebt man in einer Beziehung, darf es nur noch die eine oder den einen geben. Das jedenfalls ist die gängige Meinung. Zeit damit aufzuräumen und umzudenken. Offene Beziehungen sind mehr als eine Alternative zur „klassischen“ Partnerschaft. Und viel besser geeignet, um dauerhaft zusammen zu bleiben.

Es ist Samstagnacht, Ralf ist in irgendeiner Disco im Ruhrgebiet unterwegs. Männerabend mit den Jungs. Das Licht ist schummrig, Nebel wabert über die Tanzfläche, die Bässe wummern. Ralfs Kumpels sind beschäftigt: Der eine baggert die Kellnerin an, die anderen stoßen noch mal auf den Derbysieg an. Diese heiße Blondine, auf die Ralf schon den ganzen Abend scharf ist, wirft ihm eindeutige, verführerische Blicke zu. Das Bier hat ihn mutig gemacht, er ist in Flirtlaune und seine Freundin nicht da. Was tun? Ralf geht hin, ist doch klar. Ist ja schließlich auch nur eine Unterhaltung. Nichts Wildes. Aber wenn sie mehr will, was dann? Na ja... Die Jungs, ach, die werden schon nichts sagen. Und wenn es Ralfs Partnerin trotzdem rauskriegt?

Ich weiß nicht, wie viele Männer schon einmal in einer solchen Situation waren (oder gerne wären). Ich weiß auch nicht, wie viele in einer solchen Situation Gewissenskonflikte haben (oder hätten). Fest steht: In einer Umfrage des Hamburger GEWIS-Instituts im Auftrag der Zeitschrift „Freundin“ unter mehr als 1000 Leuten gaben rund die Hälfte der Männer (51 Prozent) zu, schon mindestens einmal fremdgegangen zu sein. Nicht berücksichtigt sind übrigens diejenigen, die es gerne einmal würden. Aber das nur am Rande. Bei den Frauen sieht es übrigens nicht so viel besser – also treuer im klassischen Sinne – aus: 42 Prozent hatten schon mindestens einen Seitensprung.

Mensch ist dummerweise nicht monogam

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der Mensch strebt nach fester Bindung, ist aber dummerweise nicht monogam. Das hat auch die Wissenschaft längst erkannt. „Serielle Monogamie“ ist der Begriff, mit dem heute Beziehungen beschrieben werden. Vorstellen kann man sich das wie ein Kinderspielzeug: Ist es neu, dann ist es toll, aufregend und spannend. Wird es langweilig, landet es auf dem Müll. Wegwerfbeziehungen auf Zeit also sollen der Weg zur Glückseligkeit sein? Na prima...

Fotos im Jackett machen die Enttäuschung nicht kleiner. Foto: imago
Fotos im Jackett machen die Enttäuschung nicht kleiner. Foto: imago

Und während dieser kurzzeitigen Partnerschaften quetschen wir uns auch noch in ein enges Korsett, wider die menschliche Natur. Kein Wunder, dass so viele ausbrechen. Und solange keiner etwas vom Seitensprung erfährt, bleibt der schöne Schein ja gewahrt. Aber wehe, wenn es rauskommt! Dann bricht für einen Partner die Welt zusammen.

Offene Beziehung ist ehrlicher

Eine offene Beziehung ist demgegenüber doch das viel ehrlichere Modell. Die Partner dürfen fremdgehen und wissen es auch. Als moralisch verwerflich sollte man die Entscheidung nicht abstempeln, die beide bewusst getroffen haben. Was ist auch schon dabei? Es ist doch nur Sex! Zweifelsohne die schönste (Neben-)Sache der Welt. Aber mehr eben auch nicht.

Deshalb ist es auch ein überholter Ansatz, Treue an etwas Körperlichem wie Sex festzumachen. Partner in einer offenen Beziehung haben das erkannt und räumen Gefühlen wie Eifersucht keinen Platz ein. Eifersucht ist unnötig, weil die Partner wissen, dass Sex und Liebe zwei verschiedene Paar Schuhe sind und sich wunderbar trennen lassen. Man muss ja nicht verliebt sein, um Sex zu haben. Und man muss sich auch nicht gleich verlieben, nur weil man seinem körperlichen Verlangen nachgegeben hat.

Vorfahrt für die Hormone

Im Gegenteil: Ich bin überzeugt, dass eine Beziehung länger hält, wenn man ab und zu seinen Hormonen die Vorfahrt einräumt. Denn irgendwann kommt in den allermeisten Partnerschaften der Zeitpunkt, an dem man sich nach anderen umsieht. Das ist nur menschlich. Und dann stellt sich die Frage: Ist die Liebe stark genug, damit ich der Versuchung widerstehe? Mache ich Schluss? Oder gehe ich fremd (und setze mich der Gefahr aus, dass es herauskommt)?

In der Freiheit einer offenen Beziehung steckt dagegen eine große Chance: Eine gelegentliche Abwechslung kann für frischen Wind in der Partnerschaft sorgen und die Liebe und Leidenschaft immer wieder aufs Neue entfachen. Ganz ohne Lügen und schlechtes Gewissen.

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