München (dapd). Im Prozess um Schadenersatzforderungen früherer Kirch-Unternehmen gegen die Deutsche Bank in Milliardenhöhe sollen jetzt Sprachwissenschaftler Aufklärung bringen. Das Oberlandesgericht München will sich ein in englischer Sprache verfasstes Vorstandsprotokoll der Bank vom Januar 2002 von einer Amerikanistik-Professorin übersetzen und genau erklären lassen. Der Senatsvorsitzende Guido Kotschy sagte am Dienstag, das Protokoll und die Aussagen des damaligen Vorstandssprechers Rolf Breuer und seines Nachfolgers Josef Ackermann dazu passten nicht ganz zusammen.

Ein Ende der Verfahren ist auch neun Jahre nach der Insolvenz und drei Monate nach dem Tod von Leo Kirch noch lange nicht in Sicht. Die Vertreter ehemaliger Kirch-Gesellschaften geben Breuer und der Bank die Schuld an der Pleite des Medienkonzerns im April 2002 und fordern Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Breuer hatte in einem TV-Interview am 4. Februar 2002 gesagt, nach allem, was zu lesen sei, werde Kirch auf unveränderter Basis keine weiteren Kredite von Dritten mehr bekommen. Richter Kotschy sagte, Breuer habe die Fragen offenbar nicht gekannt. Für diese Behauptung der Kläger habe "die bisherige Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkt gebracht". Kein Zeuge habe etwas "geäußert, was für die Behauptung sprechen könnte". Auf der anderen Seite sei Breuers Erklärung, die kritische Aussage über Kirchs Kreditwürdigkeit sei nur ein Unfall gewesen, nicht stimmig.

Der damalige Vorstandsvorsitzende der HypoVereinsbank, Albrecht Schmidt, sagte am Dienstag als Zeuge, Kirch-Geschäftsführer Dieter Hahn habe die Banken bei einem Treffen am 14. Februar 2002 in Ismaning mit einem deutlich erhöhten Geldbedarf überrascht. Allerdings seien die Nöte der Kirch-Gruppe schon vorher bekannt gewesen, denn der Axel-Springer-Verlag, Rupert Murdoch und mehrere Banken hätten von Kirch Geld zurückhaben wollen. Breuers Interview habe in dieser Situation nicht entlastend gewirkt.

Breuer sagte, bei einem Treffen mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff und WAZ-Verleger Erich Schumann am 27. Januar 2002 sei es auch darum gegangen, ob die Kirch-Gruppe noch zu retten sei. Schumann habe Interesse an der Übernahme der 40-Prozent-Beteiligung am Springer-Verlag gehabt, die Kirch als Pfand für einen Kredit bei der Deutschen Bank hinterlegt hatte. Er habe sich aber zugeknöpft verhalten, sagte Breuer und verwies auf die gleichlautende Zeugenaussage von Middelhoff.

Verlegerin Friede Springer ist für 14. November als Zeugin geladen. Am Mittwoch und am Donnerstag will das Gericht mehrere ehemalige Bankenvorstände befragen.

dapd