Berlin (dapd). Die Tafel in dem noblen Gästehaus im isländischen Reykjavik ist mit goldberandetem Kaffeegeschirr gedeckt. Unter Kristallleuchtern haben Reykjaviks Bürgermeister Jón Gnarr und eine dreiköpfige Delegation der Berliner Piraten-Fraktion Platz genommen. Die Stimmung ist feierlich. Die Anwesenden sind an dem historischen bedeutenden Ort zusammengekommen, um eine Deklaration zu unterschreiben - eine "Deklaration über Nichts".

"Die Deklaration enthält nichts Besonderes. Sie ist nicht bindend. Eine Unterschrift bringt keinerlei Verpflichtungen oder Bedingungen mit sich", heißt es in dem Dokument. Ziel der Deklaration sei einzig, "eine Möglichkeit für Leute zu schaffen, zusammenzukommen und sich auf symbolische Weise, mit einer Unterschrift, zusammenzuschließen". Gültig sei sie zudem nur, wenn sich die Unterzeichnenden anschließend die Hände schüttelten.

Die Anwesenden - die Berliner Piraten-Fraktionsmitglieder Martin Delius, Christopher Lauer und Alexander Morlang sowie Bürgermeister Gnarr und drei Mitglieder seiner Spaßpartei "Beste Partei" - folgen dem Text genauestens und haben sichtlich Spaß. Verfasst wurde die "Deklaration über Nichts" von Gnarr höchstpersönlich. Bevor er Bürgermeister von Reykjavik wurde, war er in Island ein bekannter Komiker. Dann gewann seine "Beste Partei" in dem krisengeplagten Land bei den Kommunalwahlen 2010 fast 35 Prozent der Stimmen.

Was zunächst anmutet wie ein großer Scherz, erweist sich auf den zweiten Blick als durchdachte Satire. Denn in dem selben Haus, dem "Haus Höfdi", trafen sich 1986 US-Präsident Ronald Reagan und Kreml-Chef Michael Gorbatschow zu einem Gipfeltreffen der Supermächte. Es endete allerdings ergebnislos, ein Abkommen über eine atomare Abrüstung kam nicht zustande. Trotzdem wurde am Ende feierlich ein Dokument unterzeichnet. Diese außenpolitische Tradition nehmen die Piraten und Gnarr mit der "Deklaration über Nichts" aufs Korn.

"Wir wollen keine leeren Versprechungen machen, sondern einfach mit der 'Besten Partei' in Kontakt bleiben", sagt der Piraten-Abgeordnete Lauer. Er hat den historischen Sitzplatz von Gorbatschow eingenommen, wie ein Foto von dem sowjetisch-amerikanischen Treffen an der Wand zeigt. "Ich bin fasziniert vom Konzept des Nichts", sagt Bürgermeister Gnarr philosophisch. Er sitzt auf Reagans Stuhl. Nacheinander unterzeichnen die Anwesenden das auf Englisch verfasste Dokument und schütteln sich die Hände.

Im Blitzlichtgewitter lächeln sie in die Kameras. Ohne fotografische Dokumentation, so schreibt es die Deklaration vor, wäre der zu nichts verpflichtende Akt "null und nichtig". Anschließend überreicht der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Martin Delius die Delegationsgeschenke: Ein Teddybär, eine Berlin-Tasche "mit nichts drin" sowie eine quietschgelbe Gummiente.

Die Unterzeichung der "Deklaration über Nichts" stellt den offiziellen Höhepunkt der Islandreise der Berliner Piraten-Fraktionsdelegation dar. Zuvor war sie am Freitagmorgen vom deutschen Botschafter in Island empfangen worden. Die Reise haben die Abgeordneten, wie Fraktionsgeschäftsführer Delius betont, aus eigener Tasche bezahlt.

Sie wollten in Island Kontakte zu Gnarrs "Bester Partei" knüpfen sowie sich über den Stand der Umsetzung eines neuen isländischen Mediengesetzes (IMMI) erkundigen, das die Informations- und Meinungsfreiheit im digitalen Zeitalter besser schützen soll. Nach der Rückkehr nach Berlin am Montag will die Piraten-Delegation ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit teilen.

dapd