Berlin (dapd-bay). Steuern, Maut, Pflege, Betreuungsgeld: Auf ihrem ersten Koalitionsgipfel seit fast fünf Monaten haben Union und FDP am Freitagabend über strittige Projekte für die zweite Hälfte ihrer Regierungszeit beraten. Überschattet wurde das Treffen im Kanzleramt von einem handfesten Krach über die Steuerpolitik. Vor der Tür demonstrierten rund 100 Menschen gegen die Macht der Banken und für eine strengere Regulierung der Finanzmärkte.

Für Misstöne sorgte zuletzt vor allem die geplante Steuerentlastung ab Januar 2013. CSU-Chef Horst Seehofer war verärgert, weil Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) zusammen ein Konzept für Entlastungen bei der Einkommensteuer von sechs bis sieben Milliarden Euro vorgestellt haben - angeblich ohne Absprache mit der CSU. Der bayerische Ministerpräsident pochte darauf, dass ohne die CSU "noch gar nichts" entschieden sein könne. CSU-Chef Horst Seehofer war so sauer, dass er am Vorabend ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin einfach platzen ließ.

Es ist das erste derartige Spitzentreffen seit Anfang Juni. Besprochen werden soll der politische Fahrplan bis zur Bundestagswahl 2013. Erwartet wurden stundenlange Beratungen bis in den späten Abend. Weitere strittige Themen sind die CSU-Forderung nach einer Pkw-Maut, die stockende Pflegereform sowie die für 2013 geplante Einführung eines Betreuungsgelds für Eltern, die auf eine Kita-Betreuung verzichten.

Mit am Tisch sitzen neben Merkel, Seehofer und Rösler Unions-Fraktionschef Volker Kauder, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (beide CDU) sowie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und der Vorsitzende der FDP im Bundestag, Rainer Brüderle.

Kritik an den Steuerplänen kam auch von mehreren Bundesländern, darunter auch CDU-geführten. Die Länder hätten nämlich wie der Bund ebenfalls Einnahmeverluste in Milliardenhöhe zu schultern. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte der "Welt": "Dafür haben wir keinen Spielraum."

Auch die Opposition hält nichts von Steuerentlastungen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, erklärte: "Ich prophezeie der Koalition, dass sie mit ihren Steuersenkungsplänen am Bundesrat zerschellen wird."

SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte, Steuersenkungsversprechen passten nicht in die Zeit und seien "skandalös". Schäuble wolle sich offenbar die Zustimmung des Koalitionspartners FDP für seine Euro-Rettungspakete kaufen.

Die steuerpolitische Sprecherin der Linkspartei, Barbara Höll, erklärte: "Wer unten entlasten will, muss oben stärker belasten, denn die Länder und Kommunen können keine weiteren Steuersenkungen verkraften".

Vor dem Spitzentreffen beharrte die CSU auch auf der Einführung des Betreuungsgelds. "Fakt ist: CDU/CSU und FDP haben das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag verabredet", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, der "Rheinischen Post". Das Geld sollen Eltern bekommen, die auf ein Kinderkrippenangebot verzichten. Die CSU will es ab 2013 auszahlen, die FDP hält das Projekt für falsch. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat zuletzt in Aussicht gestellt, das Betreuungsgeld auf zwölf Monate zu begrenzen.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erhofft sich von der Koalitionsrunde zudem einen Auftrag zur Erarbeitung von Pkw-Maut-Modellen oder aber zusätzliches Geld für Investitionen in die Infrastruktur. Bisher hatte Merkel sich aber stets gegen eine Pkw-Maut ausgesprochen.

Bei der Pflege pocht Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr bislang auf eine verpflichtende private Zusatzvorsorge, wogegen sich die Union aber sträubt.

dapd