Erfurt (dapd). Kampf gegen Ausbeutung, kostenlose Arztbesuche, Gleichberechtigung von Männern und Frauen: Diese Ziele formulierte die SPD 1891 in ihrem sogenannten Erfurter Programm. 120 Jahre später trugen nicht Vertreter der Sozialdemokraten, sondern Delegierte der Linken Auszüge aus dem Programm vor, wiederum in Erfurt, wiederum auf einem Programmparteitag. Denn die Linke, vor vier Jahren aus dem Zusammenschluss von WASG und Linkspartei.PDS hervorgegangen, reklamiert das Programm für sich.

Unter dem tosenden Applaus der 568 Delegierten lasen am Freitag 19 Delegierte Forderungen von 1891 vor. Nebeneinander standen die, deren Positionen als eigentlich unversöhnlich gelten: Fundis wie Sahra Wagenknecht oder Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine neben Realos wie Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch.

Sie rezitierten Forderungen nach einer Abschaffung der Klassen, nach gleichen Rechten und Pflichten und nach Einführung einer Erbschaftssteuer, verlangten, dass die Kirche Privatsache sein müsse und dass unschuldig Inhaftierte Entschädigung bekommen müssten. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi las vor, in der Gesellschaft müsse nicht nur die Ausbeutung der Lohnarbeiter bekämpft werden, sondern jede Art von Ausbeutung. Lafontaine rezitierte, Zölle müssten abgeschafft werden, die Interessen der Allgemeinheit dürften nicht denen von bevorzugten Mehrheiten geopfert werden.

Die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Luc Jochimsen, erklärte, das Programm bilde das gemeinsame Fundament der Linken. 1891 habe die Linke sich den Namen SPD gegeben. Später habe diese sich aufgeteilt in Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten.

Lötzsch hatte bereits in einem dapd-Interview erklärt, die Linke habe auch sozialdemokratische Wurzeln. "Also fragen wir uns natürlich, welche guten Ideen aus der Vergangenheit wir aufgreifen können. Wenn man ins Erfurter Programm von 1891 schaut, findet man dort zum Beispiel die Frage, wie das Geld verteilt ist, und darauf können wir uns sehr gut berufen."

Auch den ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Kanzler Willy Brandt versucht die Linke für sich zu vereinnahmen. So soll ein "Willy-Brandt-Korps" für die internationale Katastrophenhilfe gegründet werden. Lafontaine hatte die zivile Organisation in einem Änderungsantrag zum Programmentwurf vorgeschlagen. Sie soll als "humanitäre Hilfstruppe" die Auslandsmissionen der Bundeswehr ersetzen.

Es gehe darum, "dass wir als Bundesrepublik Deutschland zivile Hilfe in Katastrophengebieten leisten wollen und dafür gut vorbereitet sein müssen", sagte Lötzsch dapd. Natürlich gehe es da auch um die Erinnerung an die Friedenspolitik von Willy Brandt, mit der sich viele Linke-Mitglieder eng verbunden fühlten.

dapd