Sirte (dapd). "Auf diesen Moment haben wir lange gewartet", sagte der libysche De-facto-Regierungschef Mahmud Dschibril: "Muammar al Gaddafi ist getötet worden." Acht Monate nach Beginn des Aufstands in Libyen hat der Mann, der das Land 42 Jahre lang diktatorisch und zunehmend exzentrisch beherrscht hatte, am Donnerstag in seinem Heimatort Sirte sein Ende gefunden. Mit Freudenschüssen und Hupkonzerten begrüßten jubelnde Menschen die Nachricht und dankten Gott.

Fernsehbilder zeigten, wie ein Mann von Gaddafis Aussehen - tot oder bewusstlos, am Kopf blutend und mit entblößtem Oberkörper - auf dem Boden liegt und von Kämpfern herumgedreht wird. Augenzeugen berichteten, der Leichnam des 69-Jährigen sei in Misrata, nicht weit von Sirte, zur Schau gestellt worden. Als die Nachricht in Tripolis die Runde machte, fielen die Menschen einander in die Arme und jubelten "Allahu akbar!", "Gott ist groß". In Sirte feierten die Rebellen den Fall der Stadt nach wochenlanger blutiger Belagerung mit Freudensalven.

Erst wenn Sirte erobert sei, hatten die neuen Machthaber erklärt, werde die "Befreiung" Libyens verkündet werden. Der Tod Gaddafis räumt die von vielen gehegte Befürchtung aus, dass der gestürzte Herrscher tief in die Wüste fliehen und von dort aus den Widerstand organisieren könnte. Was aus seinen Söhnen Seif al Islam und Muatassim sowie anderen früheren Führungspersonen geworden ist, war zunächst nicht bekannt. Ohne Gaddafi selbst aber dürften sie nicht viele Anhänger um sich scharen können.

Über die genauen Umstände seines Todes gab es zunächst unterschiedliche Angaben. In der erbitterten Schlacht um seinen Heimatort hatte sich Gaddafi Berichten von Kämpfern zufolge mit den letzten seiner Getreuen an ihrem letzten Rückzugsort in Sirte verschanzt. Einmal versuchte ein Fahrzeugkonvoi aus dem Gebäudekomplex auszubrechen und wurde von NATO-Flugzeugen beschossen; es war jedoch ungewiss, ob sich Gaddafi in diesem Konvoi befand.

"Unsere Leute in Sirte haben die Leiche gesehen", sagte Informationsminister Mahmud Schammam der AP. "Die Revolutionäre sagen, Gaddafi war in einem Konvoi, und sie haben diesen Konvoi angegriffen." Der Militärrat von Misrata, eine der Kommandoeinheiten, erklärte, seine Kämpfer hätten Gaddafi gefasst. Ein anderer Kommandant, Abdel-Bassit Harun, sagte, Gaddafi sei bei dem Luftangriff auf die Fahrzeugkolonne getötet worden.

Der Kämpfer Adel Bussamir, der dabei gewesen sein will, schilderte der Fernsehnachrichtenagentur APTN das letzte Gefecht um einen noblen Gebäudekomplex, den das Gaddafi-Regime als Gästehaus für hohe Besucher hatte bauen lassen. Der Konvoi habe auszubrechen versucht, sei aber getroffen worden und wieder auf das Gelände zurückgekehrt. Mehrere hundert Kämpfer hätten den Komplex angegriffen. "Dort fanden wir ihn", sagte Bussamir. Er habe gesehen, wie Gaddafi geschlagen worden sei und jemand mit einer Pistole auf ihn geschossen habe. "Dann brachten sie ihn weg."

Angesichts der teils widersprüchlichen Darstellungen sagte Militärsprecher Oberst Ahmed Bani dem Fernsehsender Al Dschasira: "Ich kann jedermann in Libyen versichern, dass Gaddafi ganz gewiss getötet wurde, und ich bin ganz sicher, und ich versichere jedermann, dass diese Geschichte zu Ende und dieses Kapitel abgeschlossen ist."

Die siegreichen Kämpfer in Sirte - die selbe bunt zusammengewürfelte Truppe, die vor acht Monaten den Aufstand begann - sprangen freudetrunken umher, zeigten das Siegeszeichen und trampelten auf der grünen Flagge des Gaddafi-Regimes herum. "Unsere Kräfte haben das letzet Viertel von Sirte unter Kontrolle", sagte Hassan Droua vom Nationalen Übergangsrat in Tripolis der AP. "Die Stadt ist befreit."

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