Karlsruhe (dapd). Das Bundesverfassungsgericht hat die medizinische Zwangsbehandlung psychisch kranker Straftäter weiter erschwert. Solche Maßnahmen dürften nur unter strengen Auflagen erfolgen, bekräftigten die Karlsruher Richter in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Der Zweite Senat erklärte nun auch eine Vorschrift im baden-württembergischen Unterbringungsgesetz für verfassungswidrig und nichtig. Sie verstoße gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht bereits eine Bestimmung in Rheinland-Pfalz gekippt.
Die Verfassungsbeschwerde eines Mannes, der seit 2005 fast ununterbrochen im Maßregelvollzug des Psychiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch untergebracht ist, hatte damit Erfolg. Im Juni 2009 kündigte die Klinik ihm an, dass er mit einem Neuroleptikum behandelt werden sollte, notfalls auch gegen seinen Willen - durch Injektion unter Fesselung. Nachdem das Landgericht Heidelberg und das Oberlandesgericht Karlsruhe seine Rechtsmittel verworfen hatten, legte er Verfassungsbeschwerde ein.
Er machte er geltend, er leide schwer unter den Nebenwirkungen des Medikaments, das ihm Kopfschmerzen, Erbrechen, Schläfrigkeit und verschwommenes Sehen verursache. Neuroleptika seien nur zur Behandlung von Psychosen entwickelt worden. Bei ihm liege aber unstrittig keine Psychose, sondern eine Persönlichkeitsstörung vor.
Die nun für nichtig erklärte Vorschrift besagt, dass der Untergebrachte diejenigen Maßnahmen "zu dulden hat, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich sind, um die Krankheit zu untersuchen und zu behandeln". Nur für operative Eingriffe und Eingriffe, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, muss eine Einwilligung eingeholt werden.
Diese Regelung genüge nicht den Maßstäben, die das Verfassungsgericht bereits in seiner im April veröffentlichten Entscheidung zu Rheinland-Pfalz aufgestellt habe, hieß es weiter. Nach der baden-württembergischen Regelung sei die medizinische Zwangsbehandlung des Untergebrachten nicht - wie verfassungsrechtlich geboten - auf die Fälle seiner krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit begrenzt. Die Landesnorm genüge auch "einer Reihe weiterer aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzuleitender Anforderungen" nicht.
Die Karlsruher Richter hatten in ihrer früheren Grundsatzentscheidung betont, dass medizinische Zwangsbehandlungen nur "als letztes Mittel eingesetzt werden" dürften. Sie müssten außerdem Erfolg versprechen und dürften für den Betroffenen keine Belastungen bringen, die außer Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen. Außerdem müsse zuerst der Versuch unternommen werden, "die auf Vertrauen gegründete Zustimmung des Untergebrachten zu erreichen". Zudem müsse es bei geplanten Behandlungen eine konkrete Ankündigung und die Möglichkeit des Rechtsschutzes geben.
dapd