Erfurt/Düsseldorf. . Sieg auch in der letzten Instanz: Ein Chefarzt des Düsseldorfer St. Vinzenz-Krankenhauses darf nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes seine Arbeit behalten. Die katholische Klinik hatte ihm gekündigt, weil er ein zweites Mal geheiratet hatte.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung eines wiederverheirateten Chefarztes durch das Düsseldorfer St. Vinzenz-Krankenhaus für unrechtmäßig erklärt. Dass der Mann nach seiner Scheidung ein zweites Mal standesamtlich geheiratet hat, verstößt dem Urteil zufolge zwar gegen die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Allerdings müsse im Einzelfall zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und den Interessen des Arbeitnehmers sorgfältig abgewogen werden, entschieden die Richter am Donnerstag in Erfurt.
Damit folgten die Richter im Wesentlichen einem vorherigen Urteil des Düsseldorfer Landesarbeitsgerichts. Dort hatte der Arzt nach seiner Kündigung 2009 geklagt und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Der Klage wurde im vergangenen Jahr stattgegeben, die Klinik legte daraufhin Revision ein. (we/dapd)
Umstrittene Kündigungen
Im Januar 2008 verlor eine Kassiererin wegen der angeblichen Unterschlagung zweier Pfandbons im Wert von 1,30 Euro ihren Job. Im Februar 2009 wurde die Kündigung in zweiter Instanz vom Berliner Landesarbeitsgericht zunächst für rechtskräftig erklärt und keine Revision zugelassen.
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Die Argumentation der Richter lautete, der «irreparable Vertrauensverlust» sei ein berechtigter Kündigungsgrund. Jetzt ließ das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt wegen grundsätzlicher Bedeutung doch ein Revisionsverfahren zu.
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Doch Barbara E. hatte schließlich Erfolg: Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hob im Juni ihre Kündigung auf.
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Seitdem sitzt sie wieder in Berlin an der Kasse.
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Wegen 1,8 Cent für das Aufladen eines Elektrorollers hatte eine Firma im Kreis Siegen-Wittgenstein einem Mitarbeiter gekündigt. Jetzt muss sie den 41-Jährigen wieder einstellen. Das hat das Landesarbeitsgericht in Hamm entschieden.
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Am 13. August 1999 bestätigte das Bundesarbeitsgericht die Kündigung des Leiters eines Bahn-Bistros wegen "irreparablen Vertrauensverlusts". In seinen Taschen hatten Kontrolleure zwei Stücke Schinken, eine Dose Öl sowie bahneigene Kaffeetassen entdeckt.
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Immer wieder sorgen sogenannte Bagatellkündigungen für Schlagzeilen. Der Rechtsstreit um die fristlose Kündigung eines 47-jährigen Familienvaters wegen Fotografierens am Arbeitsplatz und Stromdiebstahls ist derweil beigelegt. Der Arbeitgeber des Mannes nahm die Kündigung zurück.
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Wegweisend für die Rechtssprechung in diesen Fällen ist das Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichtes von 1984. In dem „Bienenstich-Urteil” wurde einem Arbeitgeber recht gegeben, der die Angestellte einer Bäckerei gekündigt hatte, weil sie unerlaubt Kuchen verzehrt hatte.
Ein Mitarbeiter einer Großbäckerei im Raum Dortmund wurde gekündigt, weil er ein gekauftes Brötchen in den Produktionsräumen mit der Käsecreme "Hirtenfladenbelag" bestrichen. Der Personalchef erwischte ihn und kündigte fristlos. Das Landesarbeitsgericht Hamm erklärte am 18. September 2009 die fristlose Kündigung angesichts des geringen Werts unter zehn Cent für unwirksam.
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Ein Abfallentsorgungsunternehmen hatte einen Mitarbeiter gekündigt, der ein für den Abfall bestimmtes Kinderbett mitgenommen. Die Kündigung ist unwirksam, weil sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, wie das Arbeitsgericht Mannheim im Juli 2009 entschied.
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Zwar erfülle die Mitnahme des Kinderbettes den Tatbestand des Diebstahls. Aber in der Entsorgungsfirma sei es Praxis gewesen, dass Mitarbeiter für den Müll bestimmte Gegenstände hätten mitnehmen dürfen, sofern sie um Erlaubnis gefragt haben.
Im vergangenen Februar wurde der 59 Jahre alten Küchenhilfe eines Krankenhauses in Künzelsau wegen dreier Brötchen gekündigt.
Eine Vorgesetzte hatte im Spind der Frau die Backwaren gefunden. Die Küchenhilfe wurde entlassen, weil laut Klinik das Vertrauensverhältnis zerstört war. Zwar nahm die Klinik den Diebstahl-Vorwurf zurück, da die Frau die Anschuldigungen bestritt. Ihren Job verlor sie dennoch.
Im März wurden zwei Mitarbeiter einer Bäckerei in Bergkamen fristlos entlassen. Sie sollen Brotaufstrich gestohlen haben. Der Fall kam vor das Landesarbeitsgericht. Die Richter entschieden, die Kündigung sei unverhältnismäßig gewesen und müsse aufgehoben werden.
Im Februar wurde die Verkäuferin einer Bäckerei in Friedrichshafen am Bodensee fristlos entlassen, weil ihre Kasse einen Fehlbetrag von 1,36 Euro aufwies. Das Arbeitsgericht Ravensburg legte einen Vergleichsvorschlag vor. Daraufhin erhielt die Frau eine ordentliche Kündigung.
Ein gekündigter Krankenhauspfleger schloss mit seinem Arbeitgeber, einer Dienstleistungsfirma am Klinikum Güstrow, einem Vergleich vor dem Rostocker Arbeitsgericht. Der Mann soll viermal Joghurt ...
... und Milchreis im Gesamtwert von etwa zwei Euro in der Kantine des Klinikums gestohlen haben. Dafür war ihm im November fristlos gekündigt worden, wogegen er Klage einreichte.
Der Diebstahl eines 500-Gramm-Brots im Wert von 1,30 Euro kostete einen Teigmacher den Arbeitsplatz. Die lange Betriebszugehörigkeit von 32 Jahren mache umgekehrt...
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...auch für den Arbeitgeber den Vertrauensbruch umso schwerwiegender, befand am 16 Oktober 2007 das Landesarbeitsgericht Nürnberg. Es verwies zudem auf die "Nachahmungsgefahr durch andere Arbeitnehmer".
Einer Küchenhilfe wurde wegen drei mitgenommener Fischbrötchen gekündigt. Dass die Brote wegen überschrittenen Haltbarkeitsdatums ohnehin im Müll gelandet wären, half ihr nichts: Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main erklärte am 6. August 2008 ihre Kündigung für rechtmäßig.
Eine Mitarbeiterin eines Altenheims in Konstanz hatte sich vier oder sechs Maultaschen mitgenommen. Resteessen durch die Mitarbeiter sei üblich gewesen, meinte sie.
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Trotzdem kündigte der Arbeitgeber, das Arbeitgericht Radolfzell gab ihm recht. In zweiter Instanz äußerte das Landesarbeitsgericht Freiburg Zweifel. Ohne Urteil war danach der Arbeitgeber bereit, eine Abfindung von 42.500 Euro zu zahlen.