Düsseldorf. Das Bundesverfassungsgericht muss über die aktuelle Wehrpflicht-Praxis entscheiden, nachdem ein Kölner Gericht eine entsprechende Klage weiterverwiesen hat. Von "Wehrgerechtigkeit" könne keine Rede mehr sein, wird ein Sprecher nach Medienberichten zitiert.
Das Bundesverfassungsgericht muss die derzeitige Praxis der Einberufung von Wehrpflichtigen überprüfen. Das Verwaltungsgericht Köln hält das Verfahren für grundgesetzwidrig und hat deshalb die Einberufung von zwei jungen Männern zur Bundeswehr ausgesetzt. Gleichzeitig riefen die Kölner Richter Karlsruhe zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Einberufungspraxis auf, wie am Mittwoch ein Sprecher des Verwaltungsgerichts sagte.
Keine "Pflichtengleichheit" mehr
Er bestätigte damit einen Bericht des «Handelsblatts», wonach sich das Gericht an den im Wehrpflichtgesetz geregelten Grundsätzen der Einberufung zur Bundeswehr stößt. Wie der Sprecher erläuterte, geht es vor allem darum, dass bei der gegenwärtigen Praxis so wenige junge Männer einberufen werden, dass von einer allgemeinen Durchsetzung der Wehrpflicht für einen bestimmten Jahrgang nicht mehr die Rede sein könne.
Die Rechtswidrigkeit ergebe sich aus den Verfügbarkeitskriterien und Wehrdienstausnahmen heißt es in dem Zeitungsbericht. Man könne nicht mehr von einer Pflichtengleichheit sprechen, «wenn nur noch eine Minderheit Dienst leistet und der Rest gesetzlich von der Dienstleistung befreit ist», wird aus den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Köln zitiert.
SPD spricht von "Willkür"
Wie der Sprecher erläuterte, handelt es sich in beiden Fällen um Entscheidungen aus Dezember 2008. Die für das Wehrpflichtrecht zuständige Kammer des Kölner Gerichts halte die Einberufungspraxis aber schon lange für grundgesetzwidrig und habe deshalb vor Jahren schon einmal das Bundesverfassungsgericht angerufen. Eine Entscheidung habe es allerdings nicht gegeben, weil der Kläger vorher aus dem Wehrpflichtigenalter herausgewachsen war.
«Unter der vorherrschenden Einberufungswillkür haben junge Männer zu leiden, die sich in ihrem beruflichen Ausbildungsweg blockiert sehen», kritisierte der Verteidigungsexperte der SPD-Fraktion im Bundestag, Andreas Weigel, im «Handelsblatt». Weiter wird der SPD-Politiker mit den Worten zitiert: «Der Verteidigungsminister sollte weniger Energie darauf verwenden, sich Maßnahmen zur Rettung der Wehrpflicht auszudenken, als lieber die konsequente Transformation der Streitkräfte in eine moderne Freiwilligenarmee in Angriff nehmen.»
Bundesregierung sieht keinen Grund zum Handeln
Die Bundesregierung teilt dagegen die Bedenken der Kölner Verwaltungsrichter nicht. Maßstab für die Wehrgerechtigkeit sei nicht die gesamte Jahrgangsstärke, zitiert das Blatt aus einer Mitteilung an den Bundestag, «sondern nur der Teil, der nach dem Willen des Gesetzgebers für eine Heranziehung zum Grundwehrdienst zur Verfügung steht.»
In der Kölner Entscheidung wird aber darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber die Tauglichkeitskriterien deutlich verschärft und die eingeschränkte Verwendungsfähigkeit abgeschafft habe. Nach der alten Rechtslage stünden in den kommenden Jahren zwischen 140.000 und 180.000 junge Männer pro Jahrgang für den Wehrdienst zur Verfügung. Im nächsten Jahr würden dagegen kaum noch 60.000 junge Männer in die Kasernen einrücken.
Dass immer weniger Grundwehrdienstleistende einberufen werden, entspricht dem politischen Willen. Für 2010 sehen die Planungen der Bundeswehr eine Personalstärke von rund 250.000 Soldaten vor, zu Zeiten des Kalten Krieges waren es rund eine halbe Million. FDP und Grüne fordern daher die Abschaffung der Wehrpflicht. Die SPD will grundsätzlich an ihr festhalten, nach einem Parteitagsbeschluss aber dennoch nur noch Freiwillige einziehen. (ap)