Wiesbaden. .

Frauen in Deutschland bekommen laut Statistik so viele Kinder wie zuletzt vor zwei Jahrzehnten. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau liegt bei 1,39. Europaweit ist das allerdings noch immer ein schlechter Wert und Deutschland das „kinderärmste Land Europas“.

Frauen in Deutschland bekommen so viele Kinder wie zuletzt vor zwei Jahrzehnten. 2010 lag die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau bei 1,39, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Das ist die höchste Quote seit 1990. Damals gebar jede Frau in Deutschland im Schnitt 1,45 Kinder. 2009 lag die Geburtenrate bei 1,36. Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland allerdings weiter hinterher. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) warf der Bundesregierung daher Versäumnisse vor. Kritik kam auch aus der Forschung.

Insgesamt wurden 2010 rund 678.000 Kinder lebend geboren, etwa 13.000 mehr als 2009. Dabei bekamen mehr Frauen ein zweites oder drittes Kind als vorher. Bei den Erstgeborenen war die Zunahme nicht so deutlich. Allerdings ging auch die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter - also zwischen 15 und 49 Jahren - von 18,7 Millionen in 2009 auf 18,4 Millionen zurück.

Mehr Kinderbetreuung gefordert

Der Sozialverband AWO machte die Familienpolitik der Bundesregierung für eine „viel zu niedrige Geburtenrate“ verantwortlich. Zwischen der schwarz-gelben Politik und den Bedürfnissen von Familien gebe es offensichtliche Differenzen, sagte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler am Donnerstag in Berlin. Der Anstieg der Kinderzahl reiche nicht aus. Familien müssten stärker und koordinierter als bisher gefördert werden. Dazu gehöre etwa der Ausbau von Angeboten zur Kinderbetreuung.

Nach Einschätzung des Demografie-Experten Gerd Bosbach muss das Augenmerk auf eine bessere Ausbildung statt eine höhere Geburtenrate gelegt werden. Deutschland sei nicht das einzige Land mit wenig Kindern, sagte er. Wenn die Politiker nicht 20 bis 30 Prozent der Jugendlichen aufgeben würden, dann wäre die Geburtenrate unwichtig. „Es geht nicht um Geburten, sondern um vernünftig ausgebildete und gesunde Menschen, die arbeiten können.“

Experte: „Euphorie durch Wirtschaftsaufschwung“

Eine höhere Geburtenrate würde derzeit allein dazu führen, „dass noch mehr Kinder in das Bildungssystem gestopft werden“, sagte Bosbach. Als einen möglichen Grund für den leichten Anstieg der Geburtenrate nannte Bosbach die Euphorie durch den Wirtschaftsaufschwung.

Der Ost-West-Unterschied blieb auch 2010 spürbar. Im Westen Deutschlands erhöhte sich die durchschnittliche Kinderzahl von 1,35 auf 1,39. Im Osten Deutschlands kletterte die Zahl sogar von 1,40 auf 1,46. Vor allem im Osten werden Frauen immer später Mütter. Während 1990 im Durchschnitt die Frauen im Alter von 23 Jahren die meisten Kinder bekamen, waren es 2010 die 30-Jährigen. (dapd)