Jedes Jahr werden laut Bundeskriminalamt in Deutschland über 15 000 Kinder sexuell misshandelt, die Dunkelziffer liegt zehnmal so hoch. Da erscheint die Zahl von 560 Opfern, die im Laufe von Jahrzehnten von Mitgliedern der katholischen Kirche missbraucht und jetzt entschädigt wurden, eher gering. War das Ganze also nur ein Medien-Hype, eine willkürliche Hetzjagd auf Männer im Talar?

Wohl kaum. Denn wer sein Kind in die Obhut der Kirche gibt, setzt besonders hohes Vertrauen in deren Mitarbeiter. Ein Geistlicher ist nicht einfach nur: auch ein Mensch. Ein Pfarrer ist mehr, zumindest in den Köpfen vieler Gläubiger. Er schwebt quasi über den Dingen, als Mittler zwischen Himmel und Erde. Wer diese ganz besondere Verantwortung im doppelten Sinne des Wortes missbraucht, muss sich nicht wundern, wenn die Scheinwerferlichter der Medienzunft besonders grell auf ihn gerichtet werden. Das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, wird lange Zeit in Anspruch nehmen. Dazu muss die katholische Kirche viel mehr Transparenz walten lassen als bisher. Aber Offenheit gehört nicht unbedingt zu ihren Stärken.