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Die Fluchkampagne des amerikanischen Medienexperten Jeff Jarvis ist jetzt auch nach Deutschland rübergeschwappt. Jarvis hatte via Twitter zur öffentlichen Kritik an der Regierung aufgerufen. Tausende beteiligten sich. Die deutschen Twitter-Nutzer wettern jetzt ihrerseits gegen die Bundesregierung in Berlin.

Dem Deutschen an sich wird ja chronische Unzufriedenheit und Meckerfreude nachgesagt. Da kam die Idee von Jeff Jarvis gerade richtig. Mit dem etwas deftigen Hashtag „#fuckyouwashington“ kurz „#fyw“ schickte er seine Wut über die amerikanische Politik ins World Wide Web. Was dann folgte, war ein Sturm der Entrüstungen - tausende Amerikaner schlossen sich Jarvis’ Fluchtirade an. Die Idee, ihrer Regierung via Twitter mal die Meinung zu sagen, fanden auch die deutschen Twitterer gut. Und schon war das deutsche Äquivalent zu #fyw geboren (das diskrete Piepen für böse Wörter müssen Sie sich jetzt einfach vorstellen): #fickdichberlin.

„Kriegen wir das auch in Deutschland hin?“

Und es zeigt sich: Was in den USA klappt, funktioniert auch hier. Die deutschen Twitterer haben mehr als nur eine Haushaltskrise, über die sie sich aufregen. Wer sich an der Diskussion, im Fachjargon „Shitstorm“ genannt, beteiligen möchte, verziert seinen Tweet mit diesem Hashtag. In Deutschland wurde die Schimpforgie von @BlackBuccaneer, Mitglied der Piratenpartei, angeregt. Er fragte am 26. Juli seine 582 Follower: „Kriegen wir #fuckyouwashington auch in Deutschland hin? Wie wär’s morgen ab 12:00 Uhr? #fickdichberlin“

Die Twitter-Nutzer ließen sich nicht lange bitten. @webrebell etwa meint:“ #fickdichberlin weil ihr wegen 5€ für Bedürftige monatelang streitet, Banken aber Milliarden umgehend zugesagt werden.“ Die Wut, die die Twitterer hier zeigen, hat oft ganz persönliche Gründe. @PiratMainBrain schreibt: „Dafür, dass ich mit einem Vollzeitjob und Meisterbrief keine Familie ernähren kann, #fickdichberlin.“

Auch @saxones regt sich über die wirtschaftliche Lage auf: „#fickdichberlin weil vom Aufschwung bei den normal arbeitenden Menschen nix ankommt!!!!“ @eraser_org schreibt: „#fickdichberlin, Weil du es zulässt, dass Leute mit 3,50€ Stundenlohn bezahlt werden und du keinen Mindestlohn einführst.“ @TheoRettich etwa meint: „#fickdichberlin für fingierte Terrorpanik! Jeder von euch weiß, dass mehr Leute an dreckigen Krankenhäusern sterben, als an Anschlägen!“ @TippXgirls kritisiert: „#fickdichberlin für den tourettartig heraufbeschworenen Fachkräftemangel, um die Löhne in Deutschland noch weiter zu drücken.“

Drucken und ans Kanzleramt schicken

Es geht hoch her in der #fickdichberlin-Diskussion. Einige halten die Aktion für sinnlos. @kobacki meint: „#fickdichberlin löst noch lange keine Revolution aus.“ Andere hoffen, dass ihre Tweets doch noch etwas bewirken. @teh_aSak schreibt: „#fickdichberlin. Jeden Tweet drucken, damit sie’s auch verstehen, und ans Kanzleramt schicken. Wer macht’s?“

Der Hashtag #fickdichberlin war am Mittwochmorgen stundenlang Trending Topic, also einer der meistverwendeten Stichwörter bei Twitter.