London.
Die Abhör-Affäre in Großbritannien entwickelt sich immer dramatischer. Ein Reporter, der den früheren Chefredakteur von „News of the World“, schwer belastet hatte, wurde tot aufgefunden. Rupert Murdoch muss heute im Parlament aussagen.
Der Abhörskandal in Großbritannien wird immer dramatischer: Ein früherer Reporter des Boulevardblatts „News of the World“, der brisante Details der Affäre öffentlich gemacht hatte, wurde am Montag tot aufgefunden. Medienmogul Rupert Murdoch, sein Sohn James und die inzwischen zurückgetretene Chefin der Murdoch-Zeitungsgruppe News International, Rebekah Brooks, sollten unterdessen am Dienstag im Parlament Rede und Antwort stehen.
Die Leiche des Enthüllungsjournalisten Sean Hoare sei in seinem Haus in Watford nördlich von London entdeckt worden, teilte die Polizei mit. Die Umstände des Todes erschienen jedoch nicht verdächtig. Laut der Zeitung „The Guardian“ hatte Hoare seit Jahren Alkohol- und Drogenprobleme. In Interviews hatte der Journalist im vergangenen Jahr behauptet, dass der frühere Chefredakteur der mittlerweile eingestellten Boulevardzeitung „News of the World“ und spätere Pressechef von Premierminister David Cameron, Andy Coulson, über das Abhören von Handys informiert gewesen sei.
Murdoch hatte sich Anfang Juli zur Schließung des Blattes gezwungen gesehen, nachdem herausgekommen war, dass Journalisten nicht nur Prominente abgehört und Polizisten bestochen, sondern auch Handy-Mailboxen der Angehörigen von getöteten Soldaten sowie eines entführten Mädchens geknackt hatten.
Murdock und Cameron müssen Rede und Antwort stehen
Am Dienstag (14.30 Uhr Ortszeit, 15.30 Uhr MESZ) sollen Murdoch, sein Sohn James sowie die Ex-Chefredakteurin von „News of the World“, Brooks, vor dem Medienausschuss des Unterhauses zum Abhörskandal Stellung nehmen. Brooks war am Sonntag festgenommen und nach zwölfstündiger Befragung gegen Kaution freigelassen worden. Laut Polizei steht sie unter Verdacht, für die Bestechung von Polizisten und das Abhören von Mailboxen mitverantwortlich zu sein.
Am Mittwoch will dann Premierminister Cameron vor dem Unterhaus über den Skandal sprechen. Er steht wegen seines Ex-Sprechers Coulson und seiner einst engen Kontakte zu Murdoch-Medien in der Kritik. Der „Daily Telegraph“ berichtete am Dienstag, er habe die Murdoch-Vertraute Brooks im Oktober zu seinem 44. Geburtstag eingeladen.
Ratingagentur stuft Wert des Murdock-Konzerns herab
Die Ratingagentur Standard & Poor“s stufte unterdessen den Ausblick für die Kreditwürdigkeit des Murdoch-Konzerns News Corp auf „negativ“ herab. Die Ratingagentur verwies unter anderem auf den „Verlust des guten Rufs“ des Konzerns, eine „Schwächung“ der Führungsebene nach mehreren Rücktritten und den Verzicht auf die geplante Übernahme des britischen Bezahlsenders BSkyB.
Zuletzt war in der Affäre auch die Londoner Polizeibehörde Scotland Yard unter Beschuss geraten. Nachdem Polizeichef Paul Stephenson am Sonntagabend wegen angeblichen Verbindungen seiner Behörde zu News International zurücktrat, folgte am Montag der ranghohe Beamte John Yates. Er hatte 2009 entschieden, dass trotz neuer Vorwürfe keine neuen Ermittlungen aufgenommen wurden.
Die Hackergruppe Lulz Security knackte unterdessen die Internetseite der Boulevardzeitung „The Sun“ und vermeldete in einer Falschmeldung den angeblichen Tod Murdochs. Die Zeitung löschte die Meldung, wonach der 80-Jährige tot in seinem Garten aufgefunden wurde, kurz nach der Veröffentlichung am Montagabend. Eine Sprecherin von News International sagte, die britische Zeitungsgruppe habe Kenntnis von dem Onlineangriff. afp