Dortmund/Düsseldorf. . Gegen Bilderdiebstahl im Internet war bis dato kaum ein Kraut gewachsen. Google hat jetzt seine Suchfunktionen um eine „Foto-Reverse-“Suche erweitert. Das hilft z.B. Fotografen bei der Suche nach Copyright-Verstößen. Website-Betreiber sollten gewarnt sein.

Die Einladung zum Tischtennis-Turnier einer Kirchengemeinde in Wien vom Januar hätte wohl kaum den Weg bis nach Düsseldorf gefunden. Und so war es mehr ein Zufall, dass ein Grafiker in der NRW-Landeshauptstadt vor wenigen Tagen im Internet darauf stieß ist – und damit einen dreisten Urheberrechtsverstoß entdeckte. Denn die in der Einladung verwendete Grafik, noch dazu mit der Bitte ums Weiterverbreiten versehen, stammt von ihm und wurde unerlaubt irgendwo aus dem Netz kopiert. Der Grafiker hat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet.

Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Urheberrechtsverstoß im Internet durch unerlaubt veröffentlichte Bilder entdeckt zu werden, dürfte für Betreiber von Webseiten jetzt steigen. So ganz zufällig war der Fund des Düsseldorfer Grafikers, der namentlich nicht genannt werden möchte, nicht. Seit wenigen Wochen bietet Google bei der Bildersuche ein neues Feature, das es bis dato bei der frei zugänglichen Spezialsuchmaschine tineye.com oder Datenbanken wie Fotofinder.com gab: eine „Foto-Reverse-Suche“.

Google führt Technik von Spezial-Suchmaschine ein

Bisher ließen sich Bilder bei Google nur über Stichworte suchen. „Kein gutes Mittel, um Bilderklau auf die Spur zu kommen“, sagt Andreas Ehrhard, freier Fotograf in Dortmund. Jetzt kann man bei Google auch Bilder vom Rechner hochladen oder via Bild-URL nach Kopien fahnden. Die Suchmaschine listet dann auf einen Mausklick Dutzende ähnlicher Motive auf. Selbst, wenn sie auf Webseiten als pdf-Dokumente verlinkt sind. Zwar entsprechen längst nicht alle Ergebnisse dem vorgegebenen Bild-Motiv, aber mitunter sich Treffer darunter.

Der Dortmunder Fotograf Andreas Ehrhard (Foto: privat) erwartet, dass er durch die neue Google-Funktion mehr illegale Downloads seiner Bilder entdeckt.
Der Dortmunder Fotograf Andreas Ehrhard (Foto: privat) erwartet, dass er durch die neue Google-Funktion mehr illegale Downloads seiner Bilder entdeckt. © Andreas Ehrhard

„Mit Ausnahme nur weniger Länder“ ist die neue Suchfunktion durch Google seit Juni weltweit freigeschaltet, erklärt eine Unternehmens-Sprecherin am Deutschland-Sitz in Hamburg. Jedes online kursierende Bild soll für eine Suchanfrage verwendet werden können, setzt man sich bei Google als Ziel; für die Browser Chrome und Firefox wurde für den besonders leichten Zugang extra eine Extension eingerichtet. Dass man so Bilderklau besser auf die Spur kommen kann, hatte man bei Google allerdings nicht in erster Linie im Fokus: „Hinter jedem Bild steckt eine Geschichte, die wir unseren Nutzern helfen wollen, zu entdecken“‚ beschreibt die Google-Sprecherin. „Die Suche anhand von Bildern öffnet diese Welt für unsere Nutzer, indem sie ihnen ermöglicht, Informationen, Meinungen und Fakten über die Bilder, die sie im Internet sehen, zu finden“. aufdecken.

„Die Ware Bild hat in Deutschland keinen großen Wert“

Das neue Google-Feature könnte so manchen Rechteverstoß entlarven, der bisher unentdeckt geblieben ist. Einfach weil Google „die meiste Such-Macht hat“, glaubt Andreas Ehrhard. Bei seinem ersten Online-Check stieß der 42-Jährige gleich auf fünf unerlaubte Veröffentlichungen eigener Werke, „wo ich es nie erwartet hätte“ – und wohl auch nie entdeckt: auf Webseiten in Indien, Chile, Nordamerika, Großbritannien und Österreich. Insgesamt hat Ehrhard mehrere Tausend Motive online veröffentlicht, deren illegale Verbreitung er bei vielen Motiven jetzt, auch mit Google-Hilfe, verfolgen will.

Bisher „ist gegen den Bilderklau im Internet noch kein Kraut gewachsen“, sagt hingegen Rainer Steußloff, Vorstandsmitglied im Verband Freelens. Bessere Such-Features wünscht man sich bei der deutschen Vereinigung freier Berufsfotografen schon lange. Die Ware Bild „hat besonders in Deutschland keinen großen Wert“, das Unrechtsbewusstsein sei bei Nutzern kaum ausgeprägt, meint Steußloff, der auch Inhaber einer Fotoagentur in Berlin ist.

Bei Reisefotografen wird besonders gern geklaut, auch von Unternehmen

Er beklagt, „da gerade professionelle Fotografen auf die Veröffentlichung ihrer Werke angewiesen sind, ist hier eine große Gefahr des Bilderklaus, da die einschlägigen Internetseiten gerne und viel gelesen werden. Außerdem laden professionell gestaltete Internetauftritte, bekannte Namen oder beliebte Themengebiete immer zu reger Downloadtätigkeit ein“.

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Besonders Reisefotografen hätten „sehr häufig mit Urheberrechtsverletzungen zu tun“, sagt Steußloff. Weil ihre Bilder gerne zur Verschönerung von Webseiten eingesetzt würden. Das Spektrum der Bilderdiebe reiche von Privatleuten bis zu Reiseveranstaltern und Immobilienunternehmen. Was die meisten Nutzer, wie Steußloff glaubt, nicht wüssten oder einfach missachteten: „Jede unerlaubte Veröffentlichung eines Bildes ist eine Straftat.“

Bilder ohne Wort-Infos finden sich so gut wie nie

Dass Google seine Suchmaschinen-Optionen erweitert, findet Steußloff im Prinzip nützlich, „für mich aber ist das noch nicht sehr hilfreich. Etwa 50.000 Fotos hat Steußloffs Agentur im Internet veröffentlicht. „Da kann man nicht jedes einzelne Bild per Hochladen überprüfen.“ Zumal die Trefferquote doch arg lückenhaft sei: „Das pure Bild, wo alle Informationen fehlen, finde ich so gut wie nie“.

Beim Portal Photopatrol glaubt man, technisch etwas weiter als Google zu sein, sagt Geschäftsführer Sven Friedrichs: Etwa 80 Millionen Websites weltweit durchforstet der Spezialanbieter auf der Suche nach Urheberrechtsverstößen im Aufrag von Kunden und gegen Gebühr. „Wir detektieren etwa 100.000 Bilder pro Woche“. Zur Trefferquote mag Friedrichs nichts sagen, nur dass wichtige Metadaten von Fotografien für eine Ähnlichkeitsanalyse ausgewertet werden. Photopatrol vermittelt zudem „den kompletten Service“, bis hin zur Abwicklung von Abrechnungen oder Abmahnungen. Nicht jeder Ertappte sei einsichtig, berichtet Friedrichs: „Etwa ein Drittel der Personen reagieren völlig überrascht, ein Drittel sind verwundert, dass Sie entdeckt worden sind und ein weiteres Drittel verhält sich militant uneinsichtig.“

Neues ‘Hobby’ in der Szene: „Fotos suchen“

Müssen Webseiten-Betreiber jetzt das große Zittern kriegen? Der Rechtsanwalt Christoph Najberg erwartet durch das neue Google-Feature nun „neue Abmahnwellen“. Najberg hat sich auf Medien- und Urheberrecht spezialisiert. „Wenn man sich in der Szene umhört, gibt es dort jetzt ein neues ‘Hobby’: Fotos suchen“, berichtet der 32-Jährige. Für manche Freiberufler sei dies im übrigen fast überlebenswichtig, sagt Najberg. Zumal sie den Schaden anhand der offiziellen Tarif-Listen (bei Fotografen die der Mittelstandsvereinigung Foto-Marketing [MFN]) berechnen könnten. Najberg: „Mitunter ist das Honorar da höher, als man es für eine rechtmäßige Verwendung ausgehandelt hätte.“

Urheberrechtsverstoße dann auch zu verfolgen „fällt Mandanten jedoch oft nicht leicht“, erfährt Najberg immer wieder. Manche befürchteten, „dass sie dadurch in einen schlechten Ruf kommen“ oder gar potentielle Auftraggeber verlieren. Zudem sei die Ahndung von Verstößen im Ausland juristisch knifflig und meist langwierig – für Najberg aber ist sie unabdingbar: „Es geht darum, ein Bewusstsein in die Köpfe zu kriegen, dass man Bilder nicht einfach ungefragt verwenden darf“.

Dass es bei Verstößen gleich zur Abmahnung kommen muss, sieht Najberg im übrigen nicht: Er empfielt: „Wer Bilder im Netz veröffentlicht hat, sollte sich am besten schnell nach den Rechteinhabern erkundigen und sich bei ihnen melden.“ Wenn es sich dabei um Freiberufler handle oder kleinere Agenturen, „dürfte man sich schnell über eine erlaubte Nutzung einigen“. Die würde dann freilich etwas Geld kosten. Die Spanne ist groß: Andreas Ehrhard aus Dortmund hat gerade einen besonders dreisten Bilderdieb in Österreich eine Abmahnung schicken lassen. Über 5000 Euro, für Bildhonorar und Straf-Aufschlag. In einem anderen Fall bemisst er die Verwendung eines seiner Bilder deutlich geringer: „Da sind es vielleicht 30 Euro“.