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Gestern gab China der deutschen Kanzlerin die Ehre. Heute gab China dem sudanesischen Präsidenten Baschir die Ehre. Einem Verbrecher. Und China sagt: Na und? China wächst. Deutschland wächst. China braucht uns. Wir brauchen China. Aber sind wir deshalb der ideale Partner?

Je enger eine Beziehung, umso deutlicher die Differenzen zwischen den beiden Partnern. Deutschland hat beschlossen, sich enger an China zu binden. Mehrere Verträge sind in den letzten Tagen geschlossen worden, beide Seiten werden, wirtschaftlich gesehen, davon profitieren. Heute beträgt das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern 130 Milliarden. Morgen sollen 200 Milliarden daraus werden. Die deutsche Industrie jubelt. Deutsche und chinesische Menschenrechtler jubeln nicht. Kann es zwischen diesen beiden Polen überhaupt Versöhnung geben?

Im kommunistischen China ist der Staat alles. Das Individuum bedeutet nichts. Wer dem Regime schadet, wird bedroht und weggesperrt. Der Künstler Ai Weiwei ist nur einer unter vielen. Wenn der Staat alles ist und der Einzelne nichts ist, ist es auch egal, ob ein Geschäftspartner ein gesuchter Kriegsverbrecher, ein Diktator oder ein Massenmörder ist. Die zahlreichen sudanesischen Ölvorkommen waren für den chinesischen Premier Hu Grund genug, für den sudanesischen Präsidenten al Baschir, den der der internationale Strafgerichtshof per Haftbefehl sucht, den roten Teppich auszurollen. Nur drei Länder erkennen diese geachtete Institution nicht an. Eines davon: China.

Dieses Verhalten ist für den deutschen Partner nicht nur befremdlich, es ist auch taktlos. Was soll Angela Merkel jetzt denken? Dass sie für Peking genau so viel wert ist wie al Baschir? Und muss der jubelnden deutschen Industrie nicht die Euphorie im Hals stecken bleiben?

Die Deutschen sind stolz auf ihre Demokratie. Aktive Teilnahme wird gewünscht und gefordert. Menschenrechte sind keine Worthülsen. Sie stehen seit 60 Jahren im Grundgesetz. Die Achtung der Menschenwürde, Redefreiheit, das Demonstrationsrecht, all das sind gelebte Tatsachen. Die deutsche Demokratie definiert sich auch über diese Werte und setzte bisher bei seinen Geschäftspartnern ein gewisses Maß an Akzeptanz dieser Werte voraus. Schmutzige Geschäfte mit unappetitlichen Potentaten gab es. Aber es waren eben schmutzige Geschäfte. Ist das jetzt anders, nur weil China zwar eine Diktatur ist, aber so groß und reich ist?

China hat wiederholt klar signalisiert, dass es an den Menschenrechte nicht interessiert ist. Deutschland steckt in einem wahren Dilemma.

Die deutsche Regierung muss sich entscheiden, ob in Zukunft auch in Deutschland das wirtschaftliche Wachstum um jeden Preis das Wichtigste ist oder ob es eine Grenze gibt. Einen Punkt, an dem wir sagen, bis hierhin und nicht weiter. Wenn wir tatsächlich den Werten, auf denen unser deutsches Selbstverständnis beruht, treu bleiben wollen, können wir ein Verhalten, wie es China zeigt, nicht kommentarlos tolerieren. Und unsere Wirtschaft wird noch einmal darüber nachdenken müssen, was wirklich ein gutes Geschäft ist. Keine leichte Aufgabe. Aber wie würde es Angela Merkel formulieren? Es gibt keine Alternative.