Brüssel. . Bei der EU-Kommission löst der von der Bundesregierung geplante Atomausstieg Bedenken aus. In Brüssel kritisiert man insbesondere die hohen Kosten der Energiewende und hat Zweifel, dass die Klimaschutzziele eingehalten werden können.

Überrascht von der deutschen Energiewende und den Abschied von der Atomkraft ist in Brüssel niemand mehr. Sonderlich begeistert auch nicht – vielen geht der Schwenk von der langen Brücke in die atomfreie Wirtschaft zur ganz kurzen verdächtig schnell und radikal.

Der Zweifel, ob die größte Volkswirtschaft der EU mit dem abrupten Kurswechsel jetzt wirklich den besten Weg in eine nachhaltige Energieversorgung gefunden hat, ist – jenseits des Lagers der Atomkraftgegner – verbreitet.

Die EU-Kommission reagierte auf den Berliner Koalitionsbeschluss gewohnt zurückhaltend – die EU darf sich beim Energie-Mix nicht in die nationale Politik einmischen. So erklärte die Sprecherin von Energie-Kommissar Günther Oettinger ledigich schmallippig, nun stelle sich die Frage nach den Alternativen.

Klimaziele einhalten

Das ist aus Brüsseler Sicht die Hauptschwierigkeit, auf die Angela Merkel und ihr Umweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) eine überzeugende Antwort noch schuldig sind. Wie ist der Ausstieg aus der Akw-Stromerzeugung vereinbar mit den Klimazielen der Europäischen Union, also der drastischen Drosselung des Ausstoßes von Kohlendioxid? An der Berliner Ansage, bis 2050 den Strom-Bedarf zu vier Fünfteln aus erneuerbaren Energieträgern zu bestreiten, hegen die Experten in der EU-Zentrale Zweifel. Weder seien die nötigen massiven Investitionen erkennbar, um Windstrom vom Norden in den Süden der Republik durchzuleiten. Noch mache die Bundesregierung Anstalten, Solarenergie aus den südlichen Sonnenländern zu importieren.

Nicht nur gegen etwas sein

Und bei der CO2-Entsorgung in unterirdischen Speichern (CCS-Technologie) wollen die Deutschen nach dem Eindruck der Brüsseler Energie-Fachleute ebenfalls nicht richtig ran, aus Scheu vor dem argwöhnischen Bürger. Insgesamt mache die Bundesregierung es sich zu einfach: „Dagegen allein reicht nicht – man muss auch mal für etwas sein!”, heißt es.

Auch den möglichen zusätzlichen Preisauftrieb und die Abhängigkeit vom russischen Gas sieht man in Brüssel nicht ohne Sorge. Briten und Franzosen, aber auch kleinere EU-Staaten wie Belgien, Schweden oder Dänemark haben ebenfalls Bedenken signalisiert. Umgekehrt nutzen die Grünen und Umweltorganisationen in diesen Ländern das Beispiel Deutschland, um ihren Regierungen Druck zu machen, ihrerseits den Atomausstieg ins Auge zu fassen.