Duisburg. . Verbraucher sollen künftig beim Einkauf auf einen Blick erfahren, wie gut oder schlecht es Bäcker, Metzger oder Gaststätten mit der Hygiene halten. Am Donnerstag entscheidet sich, ob der NRW-Vorschlag einer „Hygiene-Ampel“ bundesweit kommt. Verbände laufen Sturm.
Seit über einem Jahr prangt das lächelnde Gesicht in der Eingangstür vom Café Käsemann in Duisburg. Das Eiscafé im Stadtteil Großenbaum ist vorbildlich in Sachen Hygiene. Inhaber Mauro Ganz macht die Auszeichnung stolz, aber er erfreut sich kaum an seinem „Smiley“, den ihm die städtischen Lebensmittelkontrolle verliehen hat: „Niemand achtet darauf“, sagt der 52-Jährige. Geht es nach NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) sollen Verbraucher das aber bald tun: Remmel will eine „Hygiene-Ampel“ etablieren. Am besten bundesweit. Verpflichtend für alle Betriebe, die mit Lebensmitteln hantieren. Nicht nur Gaststätten.
Vor fünf Jahren hatte der damalige CDU-Umweltminister Eckhard Uhlenberg das Siegel nach dänischem Vorbild eingeführt. Als rein freiwillige Angelegenheit. Aktuell klebt das Lächelgesicht jedoch gerade mal an 400 Gastronomie-Betrieben in NRW; von landesweit etwa 34.000 Kneipen, Cafés und Restaurants. „Der Smiley ist tot“, heißt es heute im Verbraucherministerium.
Zum Lächeln werden manche Gastronomen oder Einzelhändler die Pläne von Remmel nicht finden. Denn den Smiley soll eine Hygiene-Ampel ersetzen, im schlimmsten Fall eine Art Pranger, den Betriebe verpflichtend an gut einsehbarer Stelle ihren Kunden zeigen müssen.
Die Ampel soll künftig öffentlich machen, was die amtlichen Lebensmittelkontrolleure bis dato hinter den Kulissen bemängeln. In sieben Stufen soll das neue Siegel eingeführt werden, von der Gastronomie über Bäckereien und Großküchen bis zu Wochenmärkten. Eine Skala von grün bis rot und eine Punktebewertung von Null bis 80 soll den Stand der Hygiene im betreffenden Betrieb verdeutlichen.
„Um mit Rot bewertet zu werden, muss man schon ein Ferkel sein“
„In 75 Prozent unserer Kontrollen ist alles okay“, sagt Martin Müller, Bundesvorsitzender des Verbandes der Lebensmittelkontrolleure. Aber drei bis fünf Prozent der Betriebe in Deutschland, die mit Lebensmitteln umgehen, müssten damit rechnen, künftig mit Rot bewertet zu werden. Von tagelang ungespültem Geschirr bis zu Ungeziefer und verschimmelten Vorräten in der Küche gibt es nichts, was der Lebensmittelkontrolleur aus Gummersbach bei seine Arbeit nicht schon erlebt hätte. Sein Fazit: „Um mit Rot bewertet zu werden, muss man schon ein Ferkel sein“. Und solche Ferkel gibt es.
Beim Hotel- und Gaststättengewerbe in NRW betont Sprecher Thorsten Hellwig man wolle „nicht die ‘schwarzen Schafe’ schützen“. Der Verband stößt sich jedoch daran, dass die Ampel Anfang 2012 vorerst nur in der Gastronomie eingeführt werden soll: „Das diskreditiert unsere Branche“. Zudem kritisiert der Dehoga, „dass die geplante Punkteskala Transparenz nur vortäuscht, weil sie nicht erklärt wird“. Zudem zeige die Erfahrung, dass Lebensmittelkontrollen „auch von den Personen abhängig sind, die sie ausführen“. Heinz-Gerd Deffner, Gastronom in Sprockhövel und Dehoga-Funktionär, drückt es drastischer aus: „Man ist auch der Willkür von Beamten ausgesetzt“.
Willkür von Beamten ausgesetzt?
Die Bäckerei-Innung Westfalen-Lippe in Bochum lehnt eine Hygiene-Ampel „voll ab“, erklärt Geschäftsführer Peter Karst. „Das Hygiene-Management in den Betrieben hat sich seit Jahren bewährt“. Die Ampel würde für die Betriebe noch mehr Verwaltungsaufwand bedeuten: „Je mehr Punkte man will, desto enger müssen die Hygieneabläufe dokumentiert werden.“ Zudem stößt sich Karst daran, dass die Bewertung unmittelbar nach einer Kontrolle ausgehangen werden soll.
Auch Dirk Haerten, Geschäftsführer vom Fleischerverband NRW, sagt „ich will eine Ampel nicht“. Die Lebensmittel- und Futtermittelgesetze würden „genügend Instrumente“ bieten, um schwarzen Schafen das Handwerk zu legen. Seit Jahren unterziehen sich Fleischer- und Metzgerbetriebe regelmäßigen Eigenkontrollen, wie sie die EU vorschreibt, sagt Haeger. Er sieht die Ampel als eine Art Pranger - den er nicht für nötig hält. Die Lebensmittelaufsicht könnte doch schon heute „einen Betrieb dicht machen, wenn die Zustände das verlangen“. Das, sagt Haeger, sei Warnung und Mahnung genug.
Umstrittene „Pankower Liste“
Im Berliner Bezirk Pankow geht man aktuell einen viel härteren Weg. Seit einiger Zeit stellt die dortige Lebensmittelkontroll-Behörde eine Negativ-Liste ins Internet und veröffentlicht Informationen und Ekel-Fotos aus Betrieben, die die Amtsmitarbeiter besucht und offenkundig nicht belobigt haben. Die sogenannte Pankower Liste, ein Modellprojekt, wird allerdings derzeit juristisch attackiert.
Ob die Hygiene-Ampel bundesweit kommt, soll eine Sonderministerkonferenz in Bremen diesen Donnerstag entscheiden. Um die hiesigen Kontrollbehörden auf die Ampel vorzubereiten, will NRW-Verbraucherminister Remmel die Zahl der Kontrolleure auf 600 verdoppeln. Das hatte vor fünf Jahren schon sein Amtsvorgänger Uhlenberg angekündigt. Bis dato scheiterte das aber am Geld.