Frankfurt/Tokio. .

Im japanischen Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung mit hoher Wahrscheinlichkeit Schäden an Kernbrennstäben in den Reaktoren eins, zwei und drei sowie im Abklingbecken von Block vier. Dies erklärte das Bundesumweltministerium am Montag und bezog sich auf Erkenntnisse des eigenen Krisenzentrums.

"Ob und wie weit es zu einem Schmelzen des Kernmaterials kam, ist nicht klar", sagte Sprecherin Christiane Schwarte. Allerdings gebe es Indizien für eine Kernschmelze. Dies sei aber nicht gleichbedeutend mit dem Durchschmelzen des radioaktiven Materials im Reaktordruckbehälter, fügte sie an. Die Deutschen Behörden hätten keine eigenen Erkenntnisse, sondern bezögen ihre Informationen vornehmlich von der internationalen Atomenergiebehörde IAEO sowie von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit.

Auch übers Wochenende wurden nach Schwartes Angaben an Messstellen in Deutschland radioaktive Partikel aus dem japanischen Unglücksreaktor nachgewiesen. Allerdings sei deren Strahlung so gering, dass sie völlig unbedenklich sei.

Nach Einschätzung der japanischen Regierung hat in Reaktor 2 des beschädigten Atomkraftwerks eine partielle Kernschmelze gegeben. Sprecher Yukio Edano sagte am Montag, daher rühre vermutlich das hoch radioaktive Wasser, das in dem Reaktor entdeckt wurde. Die erhöhte Strahlung sei offenbar auf den Block begrenzt. Die Regierung gehe davon aus, dass die Kernschmelze lediglich vorübergehend sei, betonte Edano.

Neue Messwerte legen nach Behördenangaben nahe, dass in Fukushima ausgetretenes hoch radioaktives Jod 131 bis viel weiter nördlich ins Meer gelangt ist als zunächst angenommen. Die Kontamination erstreckt sich demnach etwa 1,6 Kilometer weiter nach Norden als zuvor. An der Küste vor den AKW-Blöcken 5 und 6 seien Werte von Jod 131 gemessen worden, die 1.150 mal höher als normal liegen, sagte Hidehiko Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde NISA am Montag.

Tepco-Chef hatte sich für eine Woche krank gemeldet

Arbeiter bemühten sich unterdessen weiter darum, radioaktives Wasser aus dem Atomkraftwerk abzupumpen. Das Wasser muss laut NISA entfernt und sicher gelagert werden, bevor die Arbeiten am Kühlsystem fortgesetzt werden können. Bis zu 600 Menschen sind zurzeit in Schichten in Fukushima im Einsatz.

Nachdem der Akw-Betreiber Tepco am Sonntag fälschlicherweise von einer millionenfach erhöhten Strahlung im verseuchten Wasser gesprochen hatte, das aus Reaktorblock 2 ausgetreten sei, kritisierte die japanische Regierung die falschen Angaben am Montag scharf. Regierungssprecher Yukio Edano erklärte, angesichts der Tatsache, dass die Messung der Radioaktivitätswerte eine wesentliche Bedingung für die Gewährleistung von Sicherheit sei, sei dieser Fehler „absolut inakzeptabel“. Die Regierung habe Tepco angewiesen, dies nicht zu wiederholen.

Unterdessen berichteten japanische Medien am Montag, Tepco-Chef Masataka Shimizu habe sich während der Atomkrise mehrere Tage krank gemeldet. Der 66-Jährige sei am 16. März erkrankt und habe sich aus dem Krisenmanagement eine Woche lang zurückgezogen, berichtete die Zeitung „Mainichi Shimbun“. Die Agentur Kyodo News berichtete, er sei inzwischen wieder bei der Arbeit. Shimizu war seit einer Pressekonferenz am 13. März nicht mehr öffentlich aufgetreten. In lokalen Medienberichten, wurde dem Tepco-Chef vorgeworfen, unverantwortlich zu handeln.

Strahlenexperte hält Japans AKW-Rettungsversuche für hilflos

Nach Einschätzung des Strahlenbiologen Edmund Lengfelder ist das Atomkraftwerk in Fukushima nicht mehr zu retten. Lengfelder sagte am Montag im Deutschlandfunk, die Darstellung der japanischen Regierung, wonach es in Reaktor 2 des beschädigten Atomkraftwerks Fukushima-Daiichi lediglich eine partielle und vorübergehende Kernschmelze gebe, sei "verharmlosend" und eine "Fehlinformation für die Öffentlichkeit". Die Kernschmelze sei nicht mehr zu verhindern.

Nach Ansicht des Leiters des Münchener Otto Hug Strahleninstituts ist die befürchtete Kernschmelze schon seit Längerem eingetreten. "Das kann man aus der Freisetzung der entsprechenden Radionuklide ableiten. Und nachdem eine Kühlung nicht mehr möglich ist und die Brennstäbe und möglicherweise auch das Inventar im Druckgefäß vor sich hin reagiert, ist einfach die Kernschmelze zwangsläufig da, und sie wird auch noch lange Zeit andauern."

Das Bemühen der japanischen Regierung, die defekten Reaktoren mit Wasser zu kühlen, sei ein "hilfloses Unterfangen" und der Versuch, "zu bremsen, wo es nach meiner Meinung nicht zu bremsen geht". Lengfelder hält es für notwendig, die Schutzzone um die Reaktoren herum auf einen Umkreis von mindestens 50 Kilometer auszudehnen. Es komme jetzt darauf an, eine weitere Strahlenbelastung für die Bevölkerung durch Evakuierungen zu vermeiden. (dapd)