Ruhrgebiet.. Die Katastrophe in Japan verunsichert auch deutsche Schüler. Lehrer reagieren mit spontanen Angeboten auf das hohe Gesprächsbedürfnis.

Totenstille in den Schulen. Schweigeminute. Ein Zeichen der Anteilnahme, zu dem Schulministerin Sylvia Löhrmann aufgerufen hatte. Seit Beginn der Katastrophe in Japan herrschen Mitgefühl und Sorge in den Klassenzimmern. Egal ob Erdkunde, Physik oder Politik – die Schüler haben zahlreiche Fragen.

„Es gibt ein Gemisch aus Emotionen, Unsicherheiten und Fragen, auf die wir eingehen“, sagt Dirk Gellesch, Leiter der Graf-Engelbert-Schule in Bochum. In vielen Unterrichtsfächern fügen sich die aktuellen Ereignisse in den Lehrplan ein: Kernspaltung und Reaktoren in Physik und Chemie, Erdbeben im Geografie-, die Akw-Debatte im Politikunterricht. In anderen müssten die Lehrer spontan auf die Sorgen der Schüler reagieren, so Theo Reidick von der Gesamtschule Borbeck.

„Da haben wir keine Zeit für“

Gabriele Boden, Direktorin des Mercator Gymnasiums in Duisburg, hat die Auswirkungen radioaktiver Strahlung im Biologieunterricht behandelt. „Aber selbst bei einer Kollision mit dem Lehrplan kann man bei solch drängenden Fragen nicht sagen: Da haben wir keine Zeit für. Das würde den Bedürfnissen der Schüler nicht gerecht werden“, findet sie.

Die Schulen wollen keine politisch-ideologische Diskussion, sondern ihre Schützlinge sachlich informieren. Einige Lehrer würden sich dabei scheuen, die Hintergründe und Konsequenzen der Atomenergie zu thematisieren, meint der 17-jährige Florian Thiel von der Landesschülervertretung NRW.

Debatte versachlichen

Für die Lehrer bedeutet Japan eine Gratwanderung zwischen pädagogischer Verantwortung und ideologischer Zurückhaltung. „An den Schulen muss die Debatte versachlicht werden, um den Schülern zu helfen, die Dinge realistisch einzuschätzen“, sagt Regine Schwarzhoff, Vorsitzende des Elternvereins NRW. „Wenn physikalische Abläufe erklärt werden, ist das ein zusätzlicher Lernerfolg. Wenn die Emotionalität angeheizt wird, sind Kinder und Jugendliche damit überfordert.“

Denn nicht nur das Informationsbedürfnis, auch die Anspannung ist groß. „Tsunami, radioaktive Strahlen, Atomenergie – das sind Begriffe, die die Kinder kennen, mit denen sie aber nichts anfangen können“, sagt Herbert Schlüsener, Leiter der Dietrich-Bonhoeffer-Grundschule in Oberhausen. Deshalb gehe es darum, aufzuklären und den Schülern Ängste zu nehmen.

Pädagogische Freiheit wichtig

Ängste, die für Yinka Aranmolate zu einer „psychischen Belastung“ werden. Die 18-Jährige besucht die Gesamtschule Gartenstadt in Dortmund und ist froh, dass dort Orientierungshilfe geleistet wird: „Die Schule hilft, sich eine Meinung darüber zu bilden, wie die Politik aussehen soll – sowohl in Japan als auch in Deutschland.“

Wichtig sei es, sich die pädagogische Freiheit zu nehmen, um angemessen auf die Bedürfnisse der Schüler zu reagieren, sagt Gudrun Koschmieder von der Elsa-Brändström-Realschule in Essen. Dazu gehört auch, den Kindern das Thema nicht aufzudrängen. „Für manche ist es zu weit weg, bei anderen greift ein Verdrängungsmechanismus, und die jüngeren Schüler können oft die Tragweite nicht begreifen“, erklärt Norbert Mölders, Direktor der Hauptschule Altstaden in Oberhausen.

Die Lehrer jedenfalls bieten sich als Gesprächspartner an und setzen nur an einer Stelle klare Grenzen: Klausuren und Klassenarbeiten gehen vor.