Während China die Atomenergie um 800 Prozent wachsen lassen will, stoppt die Schweiz ihr Programm. Polen hält unterdessen am Einstieg in die Kernenergie fest: 2020 soll dort das erste Atomkraftwerk in Betrieb gehen.

Als größter Atomstromproduzent Europas hält Frankreich ohne Wenn und Aber an der Kernenergie fest. Der Unfall dürfe keinesfalls dazu führen, dass Frankreich seine energiepolitische Strategie in Frage stelle, sagte der Chef der Regierungspartei UMP, Jean-François Copé. In der Bevölkerung allerdings regt sich Widerstand. Für die kommenden Wochen sind Demonstrationen geplant.

Niederlande

Eine Debatte über die Kernenergie findet in den Niederlanden noch nicht statt. Holland betreibt derzeit ein AKW in Borssele in der südwestlichen Provinz Zeeland. Daneben gibt es noch einen Kernreaktor in Putten, der aber nur für Forschungszwecke genutzt wird. Die Haager Regierung plant zudem zwei weitere Kernkraftwerke.

Belgien

Kaum ein europäisches Land ist so sehr vom Atomstrom abhängig wie Belgien. 60 Prozent des belgischen Stroms werden in den Kernkraftwerken „Tihange“ bei Huy und „Doel“ bei Antwerpen erzeugt. Der Schock über die Katastrophe in Japan ist aber auch den belgischen Atomfreunden in die Glieder gefahren – so regt sich in den Medien Widerstand, Zweifel über die Sicherheit werden laut.

Schweiz

Die Schweizer Regierung hat sämtliche Pläne zum Neubau von Kernkraftwerken vorerst auf Eis gelegt – bis die Atomaufsicht des Landes die Ursachen des Unfalls in Japan analysiert hat. Geplant waren der Neubau eines Meilers im Kanton Solothurn und zweier Ersatzwerke in den Kantonen Aargau und Bern.

Polen

Trotz des Unglücks in Japan hält Polen am Einstieg in die Kernenergie fest: 2020 soll das erste AKW im Land in Betrieb genommen werden. „Weil wir uns so spät um einen AKW-Bau kümmern, können wir das sicherste Technikpaket übernehmen“, warb Regierungssprecher Pawel Gras. „Im Moment kämpfen die möglichen Standortgemeinden um den Bau“, sagte Gras. Mit dem AKW-Bau soll 2013 begonnen werden.

Russland

Regierungschef Wladimir Putin will den Ausbau der Kernenergie nicht in Frage stellen. „Wir ändern unsere Pläne nicht, werden aber natürlich Schlussfolgerungen aus dem ziehen, was in Japan passiert ist“, sagte Putin am Montag. 2006, 20 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe in der damaligen Sowjetunion, hatte Moskau ein großes Programm zum Bau von AKW aufgelegt. Bis 2020 soll der Anteil der Atomenergie an der Energieversorgung des Landes so auf 24 Prozent steigen. Gleichzeitig ist Russland einer der weltweit größten Exporteure von Kernkraftwerken und von Uran für ihren Betrieb.

China

Der AKW-Unfall kommt zu einer Zeit, in der China in kürzester Zeit ein überaus ehrgeiziges Atomprogramm durchpeitscht. Laut Fünf-Jahres -Plan sollen innerhalb von nur zehn Jahren die Atomkapazitäten um 800 Prozent anwachsen lassen. Nun sehen die Menschen die Bilder im Fernsehen – und äußern erste Zweifel. „Warum müssen sie Atomkraftwerke bauen?“, schrieb einer. „Wa­rum können sie nicht mehr Wind-, Wasser- oder andere Energiequellen nutzen?“

USA

Die japanische Reaktor-Katastrophe setzt auch US-Präsident Barack Obama unter Druck. Schließlich hatte er nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und einem schweren Unglück in einer Kohlegrube West-Virginias mit 25 Toten im Januar eine Renaissance der Atomkraft ausgerufen. 36 Milliarden Dollar Staatsgarantien stellt Washington bereit, um in den nächsten Jahren 20 neue Nuklearanlagen zu bauen. Die Atomkraft ist für Obama Teil des Energie-Mix, um Amerikas Energiehunger zu decken. Vergessen ist der Atomunfall von Harrisburg 1979, bei dem eine partielle Kernschmelze im Re­aktor von Three Mile Island fast zum Super-GAU führte. Auch die Republikaner dringen auf einen Ausbau der Atomkraft, um in erster Linie die Abhängigkeit von arabischem Öl zu verringern.