Tokio. . Das schwerste Erdbeben in der Geschichte Japans forderte wohl Tausende Todesopfer. Der Erdstoß mit Stärke 8,9 löste einen Tsunami aus. Die mehrere Meter hohe Flutwelle schoss ins Landesinnere. Der gesamte Pazifikraum ist in Alarmbereitschaft.

Bei dem verheerenden Erdbeben in Japan und dem anschließenden Tsunami sind am Freitag wahrscheinlich mehr als tausend Menschen ums Leben gekommen. Das meldete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Laut Kyodo steigt die Opferzahl "von Minute zu Minute". Bislang gebe es laut Polizei mehr als 350 bestätigte Todesopfer, knapp 550 Menschen wurden vermisst und 800 weitere verletzt. Allein in der von einer zehn Meter hohen Flutwelle überschwemmten Stadt Sendai seien 200 bis 300 Leichen an einem Strand gefunden worden. 1200 Häuser wurden in Sendai, der Hauptstadt der am stärksten betroffenen Präfektur Miyagi im Nordosten von Honshu, zerstört. Die Bewohner mussten die Nacht ohne Wasser und Strom verbringen.

Die Nachrichtenagentur Jiji berichtete unter Berufung auf die Polizei, dass im Küstenort Ofunato nach dem Tsunami 48 Menschen, darunter 23 Schüler, vermisst würden. Vor der Küste Miyagis riss die Flutwelle ein Schiff mit etwa 100 Menschen an Bord mit. Nach Angaben von Kyodo und Jiji verschwanden in der Region zudem zwei Züge mit einer unbekannten Zahl an Fahrgästen, nachdem sie von der Flutwelle erfasst worden waren. In der Provinz Fukushima durchbrach die Flutwelle einen Damm und schwemmte mehrere Häuser fort.

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    Japan bitten US-Truppen um Hilfe

    Das Epizentrum des Bebens lag etwa 382 Kilometer nordöstlich von Tokio hundert Kilometer vor der Küste. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte (USGS) ereignete es sich um 14.46 Uhr Ortszeit (6. 46 Uhr MEZ) in einer Tiefe von 24,4 Kilometern. Die US-Stelle sprach von einer Stärke von 8,9, das japanische Meteorologieamt von 8,8. Beide Stellen erklärten, es handle sich weltweit um das fünftstärkste Erdbeben seit 1900 und das stärkste in der Geschichte Japans. Anschließend erschütterten mehr als 60 Nachbeben das Land.

    Japans Streitkräfte mobilisierten tausende Soldaten, 300 Flugzeuge und 40 Schiffe, um den Menschen zur Hilfe zu kommen. Die Regierung bat zudem die im Land stationierten 50.000 US-Truppen um Hilfe. Unabhängig davon entsandten die USA zwei Flugzeugträger mit Hilfsgütern nach Japan. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Japan Hilfe zu. Deutschland entsandte demnach Experten des Technischen Hilfswerks (THW) in das asiatische Land.

    Weiteres schweres Beben in Japan

    Auch das Landesinnere Japans ist von einem schweren Erdstoß erschüttert worden. Das Beben der Stärke 6,6 am Samstag (Ortszeit) brachte Gebäude in Tokio ins Wanken. Sein Zentrum lag etwa 170 Kilometer nördlich der Hauptstadt in zehn Kilometern Tiefe.

    Seit dem Beben der Stärke 8,9 am Freitag wurde Japan von Dutzenden Nachbeben erschüttert. Der jüngste Erdstoß ereignete sich allerdings in einem anderen Landesteil. Berichte über Schäden gab es zunächst nicht.

    Kühlsystem von Atomanlage versagt - Situation droht zu eskalieren

    Die Regierung rief den atomaren Notstand aus. Nach dem schweren Beben vor der Küste Japans sind rund 2000 Anwohner an einem Atomkraftwerk aufgefordert worden, das Gebiet zu verlassen. Wie die örtlichen Behörden am Freitag mitteilten, sollte das Gebiet um eine Atomanlage in der nordöstlichen Präfektur Fukushima gemäß der Anordnung des Gouverneurs im Umkreis von drei Kilometern evakuiert werden. Der Fernsehsender Nippon TV berichtete, in dem Atomkraftwerk Fukushima N°1 des Energiekonzerns Tokyo Electric Power sei das Kühlwasser auf einen beunruhigend niedrigen Stand gesunken.

    Wie entstehen die Riesenwellen?

    Das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam, ein Institut in Trägerschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, erklärt in einem Infoblatt ausführlich, wie Tsunamis entstehen, warum sie so gefährlich sind und wie man sich verhalten sollte, wenn man sich während eines Tsunamis in einem betroffenen Gebiet aufhält. Das Infoblatt ist hier abzurufen.

    Das GFZ ist an dem Tsunami-Frühwarnsystem beteiligt, das im Indischen Ozean nach der Katastrophe 2004 installiert worden ist.

    Die Situation im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ist offenbar bedrohlicher als zunächst gedacht. Das Bundesumweltministerium haben Nachrichten aus Japan über die internationale Atomaufsicht IAEO erreicht, wonach die Situation vor Ort zu eskalieren droht, wie aus Sicherheitskreisen der WAZ-Mediengruppe bestätigt wurde. Demnach könne die Kühlung des Atomreaktors in Japan in Folge des verheerenden Erdbebens nur noch für wenige Stunden gewährleistet werden. Es gebe keine externe Stromversorgung mehr. Auch die Notstromsysteme über Dieselaggregate würden nicht mehr funktionieren. Über Batterien könne die Kühlung nur noch wenige Stunden aufrechterhalten werden. Was danach passiere sei offen, hieß es in den Sicherheitskreisen. Es sei aber sehr wahrscheinlich, dass danach keine Einspeisung von Kühlmittel in den Reaktor mehr möglich sei. Man bereite sich auf den Katastrophenfall vor. Nach Angaben der Regierung wurde erwogen, Dampf abzulassen.

    Wegen des Bebens hatten sich nach Angaben der Regierung in Tokio elf japanische Atomkraftwerke automatisch abgeschaltet. Im Atomkraftwerk von Onagawa geriet ein Turbinengebäude in Brand.

    Fukushima liegt südlich der am schwersten betroffenen Präfektur Miyagi, dort brach in dem Turbinenraum einer weiteren Atomanlage in Onagawa ein Feuer aus. Rauch stieg aus dem Gebäude auf, das abseits des Reaktorblocks liegt, teilte der Betreiber Tohoku Electric Power mit.

    Schwankende Gebäude in der Millionenmetropole Tokio

    In der Innenstadt Tokios schwankten große Gebäude, Menschen strömten auf die Straßen, um sich in Sicherheit zu bringen. 30 Minuten nach dem Erdbeben wankten einige Gebäude noch immer, Mobilfunk- und Telefonnetze waren gestört. Züge kamen zum Stillstand, Fahrgäste mussten entlang den Gleisen zum nächstgelegenen Bahnsteig laufen. Die erdbebensicheren Wolkenkratzer schwankten nach dem Beben minutenlang. In weiten Teilen des Landes wurde der Flug- und Zugverkehr eingestellt, in Tokio auch der U-Bahn-Verkehr. Millionen Pendler steckten in der Stadt fest, Straßen waren verstopft und Hotels ausgebucht. Landesweit fiel in acht Millionen Haushalten der Strom aus.

    Hunderte Menschen wurden aus der Station Shinjuku in einen nahegelegenen Park in Sicherheit gebracht. Ein Großbrand wurde aus einer petrochemischen Fabrik in Sendai und einer Ölraffinerie im Großraum Tokio gemeldet.

    Pazifikanreiner bereiten sich auf Tsunami vor

    Die Ausläufer der Tsunami-Flutwellen nach dem Erdbeben in Japan haben am Freitag die Küste des US-Bundesstaats Hawaii erreicht. Das Pazifische Tsunami-Warnzentrum registrierte um 03.24 Uhr (Ortszeit, 14.24 Uhr MEZ) die Ankunft der Flutwellen in Waianae Harbor, kurze Zeit später waren sie auch am beliebten Strand von Waikiki zu sehen. Die Wellen waren mit bloßen Auge erkennbar, sie hatten aber keine zerstörerische Kraft. Nach Behördenangaben erreichten sie eine Höhe von 50 bis 70 Zentimeter. Über Nacht hatten die Behörden Menschen aus den unmittelbaren Küstenregionen in Sicherheit gebracht. Die Polizei sperrte Straßen in Richtung Küste ab.

    Auf den Philippinen wurden wegen der Flutwelle Vorkehrungen getroffen. Bewohner der Provinz Albay südöstlich der philippinischen Hauptstadt Manila wurden von den Behörden aufgefordert, sich in Bereiche zu begeben, die mindestens 15 Meter über dem Meeresspiegel.

    Auch auf der Insel Guam im Westpazifik, die zu den USA gehört, forderten die Behörden die Küstenbewohner auf, sich in höher gelegene Bereiche in Sicherheit zu begeben. Tsunamis können sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800 Kilometer in der Stunde ausbreiten, etwa der Geschwindigkeit eines Verkehrsflugzeugs. (dapd/afp/rtr)