Bielefeld/Bochum. . Brauchen wir eine Frauenquote für Führungspositionen? Fakt ist: Das weibliche Geschlecht ist unterrepräsentiert. Doch liegt’s an den Frauen oder an den Strukturen? DerWesten hat Wissenschaftler gefragt.

Brauchen wir eine Frauenquote für Führungspositionen? Nur eines der 200 größten deutschen Unternehmen wird von einer Frau geleitet. Gleichzeitig sind drei Viertel aller Frauen erwerbstätig. Woran liegt’s? DerWesten fragte Wissenschaftler nach ihrer Meinung.

Annette von Alemann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Bielefeld, ist Gender-Forscherin. Das heißt, sie fragt vor allem nach dem sozial anerzogenen Geschlecht, evolutionsbiologische oder psychologische Erkenntnisse fließen ein. Von Alemann ist überzeugt: „Männer und Frauen sehen sich selbst als unterschiedlich an, angeborene Unterschiede im Verhalten sind aus Forschungssicht aber nicht belegt. Viele Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass es keine Geschlechtsunterschiede gibt.“

Ziele von Frauen und Männern sehr unterschiedlich

„Völliger Unsinn, natürlich gibt es gesamtheitlich gesehen markante Unterschiede“, widerspricht der Dekan der psychologischen Fakultät der Universität Bochum, Heinrich Wottawa. „Der Gedanke von der Gleichheit der Geschlechter ist veraltet und stammt aus dem Jahr 1968.“ Dazu haben er und sein Forschungsteam erst jüngst eine Studie veröffentlicht. 20 900 Teilnehmer seien dazu in einem Zeitraum von sieben Jahren aufwändigen Online-Tests unterzogen worden. Man sei zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen: Die Wertehaltungen und Zielvorstellungen von Frauen und Männern in der Berufswelt seien sehr unterschiedlich.

Das Verhalten von Frauen sei oft hinderlich für Führungspositionen. Sie würden, laut Studie, eher nach sozialer Akzeptanz streben, zuverlässig sein, einen geringeren Wunsch nach Macht verspüren, weniger autoritär auftreten. Wottawa erklärt die geringeren Chancen von Frauen in Führungspositionen auch mit einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Da Frauen diese Wertehaltungen hätten, erwarteten Chefs dementsprechend Frauenhaftes von ihnen, worauf Frauen wiederum reagierten. Sie fügten sich damit in ein Schema, was ihre Aufstiegschancen bremse.

„Neandertaler-Männer mussten räumlich denken“

Dies sieht auch die Forscherin aus Bielefeld so: „Wenn sich Männer und Frauen einbilden, dass sie anders sind, wird das auch so sein“, so von Alemann

Woher unterschiedliche Wertehaltungen bei Frauen und Männer kommen, ist aus Wottawas Sicht unklar. „Es gibt Spekulationen darüber, dass evolutionsbedingt Männer anders denken als Frauen, auch andere Fähigkeiten haben. Die Neandertaler-Männer mussten auf der Jagd ein räumliches Vorstellungsvermögen entwickeln und die Frauen soziale Kontakte in der Gruppe pflegen. Beweise gibt es dafür aber keine.“

Von Alemann dagegen sieht die unterschiedliche Sozialisation als Hauptgrund. „Selbst in der Berufsberatung legt man Mädchen Frauenberufe nahe. Auch, wenn sie sich für andere Dinge interessieren.“ Dazu gebe es wissenschaftliche Erkenntnisse von Ulrike Struwe von der Universität Bielefeld.

Unterschiedliche Lebensentwürfe

Ein echter Beweis, ob Männer sich von Frauen unterscheiden, stehe derweil aus. Gertraude Krell, Professorin an der Freien Universität Berlin, hat Studien zum Führungsstil von Frauen zusammengefasst. Für sie scheint die Frage wichtiger: Warum kommen Frauen nicht weiter?

Hier kommt die Frauenquote ins Spiel. Vielleicht nützt sie Frauen mehr als dass sie ihnen schadet? Wottawa lehnt sie ab: „Frauen sollen ohne den Quotenzwang gefördert werden. Ein 50-zu-50-Verhältnis in Unternehmensvorständen entspricht oft nicht den unterschiedlichen Lebensentwürfen.“

Alemann dagegen ist von der Notwendigkeit einer Frauenquote überzeugt. „Alle freiwilligen Maßnahmen haben nichts gebracht. Eine natürliche Frauenquote wird sich entwickeln, aber vorher brauchen wir eine gesetzliche. In der Politik wirft man Frauen nicht mehr vor, sie seien nur wegen der Quote weit oben.“ Ganz weit oben angekommen ist Angela Merkel. Eine feste Quote lehnte sie zuletzt ab.