Gelsenkirchen. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr soll auch auf den Niederrhein ausgeweitet werden. Mit Preiserhöhungen sollen nach Ansicht des Fahrgastverbandes Pro Bahn allerdings keine Finanzlöcher beim VRR gestopft werden.

Der Einheitstarif an Rhein und Ruhr ist beschlossene Sache. Zum 1. Januar 2012 gilt auch am Niederrhein der Tarif des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Das kündigte VRR-Vorstand Klaus Vorgang am Mittwoch in Gelsenkirchen an. Weil damit das Verbundgebiet weitaus größer wird, plane der VRR eine neue Preisstufe E, sagte er weiter. Wie teuer diese wird, sei noch offen. Mit einem Verbundfahrschein können Fahrgäste damit demnächst von  Emmerich bis Dortmund Regionalzüge nutzen. Am Niederrhein soll das gesamte VRR-Ticketsortiment angeboten werden.  Die erwarteten finanziellen Einbußen, die wegen des vergleichsweise preiswerteren VRR-Tarifs entstehen, betragen zwei bis drei Millionen Euro. Das Defizit werde von allen Beteiligten getragen, betonte Vorgang weiter. Ein endgültiges Tarifkonzept solle bis Mitte des Jahres erarbeitet werden.

Pro Bahn: Keine Preiserhöhung zum Stopfen von Löchern

Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht die Einführung des neuen Systems mit gemischten Gefühlen. "Grundsätzlich bietet ein differenziertes Preissystem mit mehreren Preisstufen in einem so großen Raum wie dem VRR ein großes Maß an Gerechtigkeit", erklärt der Vorsitzende Karl-Peter Naumann. Es sei sicher berechtigt, dass derjenige mehr zahlen muss, der auch mehr oder weiter fährt.

Die neue Preisstufe dürfe allerdings keine Einnahmequelle sein, um Finanzlöcher nach Fehlern bei der Vergabe der S-Bahn-Leistungen zu stopfen. "Aus dem Gesichtspunkt eines Fahrgastes ist das kein Grund für eine Fahrpreiserhöhung", so Naumann. Wenn Angestellte des Landes NRW Fehler machen, müsse das Land eine Lösung finden.

Weniger Abonnenten

Zum Jahr 2010 zog der VRR eine durchwachsene Bilanz: Die Pünktlichkeit der Züge sei besser geworden - allerdings nur bis Oktober. Mit dem Herbst-, vor allem aber dem heftigen Wintereinbruch im November war der Fahrplan dann allzu häufig durcheinander gebracht worden.

Laut VRR-Statistik waren im vergangenen Jahr ein Viertel der Regionalexpress-Züge auf die Minute pünktlich; da bei der Bahn auch eine fünfminütige Verspätung noch als ‘pünktlich’ gilt, steigt der Pünktlichkeitswert auf 88 Prozent. Regionalbahnen waren mit 94 Prozent besser im Takt, die S-Bahnen mit 96 Prozent auch. In absoluten Zahlen allerdings spiegeln sich die Eindrücke von Pendlern wahrscheinlich deutlicher wider: 58 Prozent der Regionalbahnen waren laut Statistik auf die Minute pünktlich. Bei den S-Bahnen war es jeder zweite Zug: 53 Prozent. Nach wie vor ist die Linie RE 1 (Aachen-Hamm) der schlimmste Bummelzug der Region; fast jeder zehnte hatte mehr als zehn Minuten Verspätung. Auch die RE11-Züge (Paderborn-Düsseldorf) waren überdurchschnittlich oft deutlich zu spät.

Kritik am Winterdienst der Bahn AG

VRR-Vorstand Martin Husmann kritisierte das nach wie vor schlechte Krisenmanagement der Bahn bei Witterungsproblemen. Vor allem fehlende Fahrplandurchsagen bei Ausfällen und Verspätungen seien 2010 negativ aufgefallen. Husmann: „Das kann so nicht weitergehen.“ Der VRR-Chef forderte von der Bahn mehr Personaleinsatz, wenn im Winter Weichen zugeweht werden. Zudem müsse der Grünschnitt entlang der Bahntrassen deutlich verbessert werden. Dazu würden demnächst Gespräche mit DB Netz geführt.

Insgesamt hat der VRR im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Fahrgäste bewegt. Die Einnahmen stiegen um 1,4 Prozent auf 969 Millionen Euro. Allerdings haben die Verkehrsunternehmen im VRR-Gebiet Dauerkunden verloren. Die Zahl sank um 0,8 Prozent auf 1,2 Millionen Menschen. Jeder sechste Bürger im VRR-Gebiet hat damit ein Fahrkarten-Abo.

Im Rechtsstreit um den Verkehrsvertrag mit der Bahn AG sitzen Bahn und VRR an diesem Freitag wieder am Verhandlungstisch. Bis zum Sommer will VRR-Chef Klaus Vorgang „eine gerichtsfeste Regelung“ vereinbaren. Es läuft wohl darauf hinaus, dass der VRR einige S-Bahnlinien neu ausschreiben will, andere aber mit der DB verlängert. Details wurden dazu nicht genannt.

Noch völlig offen ist die Entwicklung beim Sozialticket. Das Land wolle die zugesagten Leistungen von rund 30 Millionen Euro nicht erhöhen, sagte der für die Tarifgestaltung zuständige VRR-Vorstand Klaus Vorgang. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch scheitert“, warnte Vorgang weiter. (dae/WE)