Essen. . Mit Peter Alexander ist einer der größten deutschsprachigen Stars der Nachkriegszeit gestorben. Als ewiger Lausbub wird er in Erinnerung bleiben. Doch nach dem Tod seiner Frau Hilde und seiner Tochter Susanne war Alexander ein gebrochener Mann.

„Langer“ haben sie ihn am Theater früher genannt, so hochgewachsen und dürr, wie er war. „Der Große“ hieß er später aber das hatte nichts mehr mit seiner Statur zu tun, sondern mit seinem Talent. Singen konnte er, parodieren und tanzen. Mit einem Wort: unterhalten. Dabei ist er immer bescheiden geblieben. Das hat ihn zu einem der größten deutschsprachigen Stars der Nachkriegszeit gemacht. Am Wochenende ist Peter Alexander im Alter von 84 Jahren in Wien gestorben.

Wenn er kommt in den 1970er Jahren, dann herrscht in vielen Familien Ausnahmezustand. Schließlich kommt er nur einmal im Jahr, um seine Spezialitäten zu präsentieren, meistens kurz vor Weihnachten. Dann zieht Mama den Kittel aus, holt die Plätzchen und das gute Service aus dem Schrank und setzt sich vor den Fernseher. Nicht ohne zuvor Telefon und Türklingel abgestellt zu haben. Weil sie ungestört bleiben möchte mit ihrem Peter, den sie oft schon so lange kennt.

Fürs Charakterfach war er zu komisch

Sie sind vielleicht nicht groß geworden mit ihm, die Frauen der Wirtschaftswunderjahre. Aber erwachsen. In seinen Filmen haben sie gelacht, waren mit ihm „Im Weißen Rössl“, zu Besuch bei „Charley’s Tante“ oder dem „Grafen Bobby“. Und zu seinen Platten haben sie getanzt, geschunkelt, mitgesungen. Von den Beinen der Dolores hat Alexander ihnen vorgeschwärmt, hat geklagt, dass die süßesten Früchte immer nur in Nachbars Garten wachsen und sie mitgenommen in „Die Kleine Kneipe“, wo die Rechnung auf dem Bierdeckel steht und jeder Kredit hat beim Wirt.

„Heile Welt-Geschwafel“ sei das, maulen Kritiker und Alexander stimmt ihnen zu. Er will ja gar nichts anderes machen. Die Menschen, sagt er gerne, hätten doch schließlich ein Recht darauf, der Wirklichkeit hin und wieder zu entfliehen, zu träumen und sich zu amüsieren. Mit ihm, der eigentlich Arzt werden sollte und Charakterdarsteller werden wollte. Für das eine war er zu schlecht in der Schule, für das andere schlichtweg zu komisch. Schon bei seiner Aufnahmeprüfung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar hätten die Schauspiellehrer über ihn gelacht, hat er später in seiner Autobiografie geschrieben. 1946 hat er sich dort beworben, kurz nachdem er aus der britischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden ist, in die er als Marinesoldat geraten war.

„Freches Mundwerk“

Die Eltern sehen das nicht gerne. Hausfrau die Mutter, Bankrat der Vater, hätten sie es lieber gehabt, wenn der Peter Alexander Ferdinand Maximilian Neumayer „was Ordentliches“ lernen würde. Wo er doch schon als Kind von mehreren Schulen geflogen ist. Weil er immer Blödsinn gemacht hat, der Lausbub, der er war. „Du wirst im Alter womöglich als arbeitsloser, abgetakelter Mime in einem Kaffeehaus herumsitzen“, warnt sein Vater ihn vor der Schauspielerei und und nennt sie einen „Hungerleiderjob!“

Doch der Peter, der seinen zweiten Vornamen für die Bühne zum Nachnamen gemacht hat, ist unbeirrbar. Zumal er schnell ein erstes Engagement bekommt. Am Wiener Burgtheater lässt ihn der Direktor für einen erkrankten Hauptdarsteller einspringen, weil der „Lulatsch“, der immer in den Kulissen steht so „ein freches Mundwerk hat“ und offenbar alle Rollen spielen kann, die man ihm anbietet. Ersatz ist Alexander, stiehlt aber schnell allen anderen die Show auf der Bühne. Marika Rökk, die ihn dort sieht ist begeistert: „Langer“, sagt sie, „du wirst machen eine steile Karriere.“

Im Fernsehen wird er zur Legende

Peter Alexander mit seiner Familie. Foto: imago
Peter Alexander mit seiner Familie. Foto: imago

Er macht sie. Zunächst aber als Sänger. Dabei hat er das Singen nicht einmal gelernt. Er hat es sich als Kind selbst beigebracht. Genau wie das Klavierspielen. Aber er ist gut. So gut, dass ihn als Teenager angeblich die Wiener Sängerknaben haben wollen. Alexander lehnt ab. Er will nicht so oft auf Tournee gehen. Von 1951 an muss er das machen. Bei einer Plattenfirma hat er vorgesungen und ist sofort engagiert worden. „Das machen nur die Beine der Dolores“ wird seine erste Platte. Mehr als 100 weitere werden folgen. Sie verkaufen sich über 50 Millionen Mal. Auch weil er sie ständig in seinen Filmen singt.

Doch Film und Gesang, sie bilden später nur das Fundament für die erfolgreichste Zeit des Peter Alexanders, sind die Basis für seine Jahre beim Fernsehen, in denen er zur Legende wird. Auch weil zeitweise bis zu 80 Prozent der Zuschauer einschalten, wenn der gebürtige Wiener im Fernsehen zu Gast ist. Keiner in Deutschland kann so leichtfüßig die Treppe hinunter tänzeln, niemand hat ein derart großes Repertoire, das von Schlager bis zur Operette, vom klassischen Weihnachtslied bis zum Swing-Standard reicht. Das hinter der Leichtigkeit ein gnadenloser Drang zum Perfektionismus steht, dem mancher nicht gewachsen ist, das merken die Zuschauer nicht. Für sie bringt er einen Hauch von Las Vegas auf ihre meist noch schwarz-weißen TV-Bildschirme, gepaart mit Wiener Charme und Schmäh. Als wäre Sinatra plötzlich Österreicher geworden. Nur dass Alexander statt zur Whiskyflasche lieber zum Glaserl Wein greift. Und selbst das nur gelegentlich.

Alexander fällt nie aus der Rolle

Überhaupt ist Alexander aus heutiger Sicht fast schon klinisch sauber. Ein ewiger Lausbub ist er. Einer, dem man fast alles verzeihen würde. Wenn er denn mal was falsches machen würde. Macht er aber nicht. Alexander fällt nie aus der Rolle, liefert keine Skandale, wirkt stets bescheiden, manchmal gar schüchtern. Und wer ihn kennt, der sagt, dass das nicht mal eine Masche ist.

Ein Frauenschwarm ist der Peter trotzdem, ein Frauenheld aber wird er nie. 1952 lernt er die zierliche Wiener Schauspielerin Hilde Haagen kennen. „Womit verdient man sich hier in Wien solche Klunker?“ fragte er angesichts ihres Schmucks. „Mit Ihrem G’sang’l bestimmt nicht“, antwortet die Haagen. Es ist der Beginn einer Liebe fürs Leben. Das „Hildchen“ wird nicht nur seine Frau, sie wird auch seine Managerin. Eine Funktion, in der sie Konzertveranstalter, Programmdirektoren und Journalisten schnell fürchten lernen, so unerbittlich vertritt sie die Interessen ihres Peters. Sie entscheidet nicht nur, wo, wann und was er singt und spielt, sie gibt in Interviews auch schon mal die Antworten auf die Fragen, die man ihrem Mann gestellt hat. Alexander vergöttert sie bis zur Selbstaufgabe. Ohne seine Frau wäre er nie so weit gekommen, hat er oft gesagt und sich dann gewünscht, er möge vor seiner „Schnurrdiburr“ sterben.

Alexander fand modernes Fernsehen als „ordinär und billig“

Es ist ein Wunsch, der unerfüllt bleibt. 2003 stirbt sein „Hildchen“ völlig überraschend an Herzversagen und hinterlässt einen gebrochenen Ehemann, der sich nahezu völlig aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Mit dem Fernsehen hat er da schon lange abgeschlossen. „Brutal, ordinär und billig“ sei es geworden, hat er in einem seiner wenigen Interviews geschimpft. „In wenigen Jahren sind so ziemlich alle Tabus gefallen und der gute Geschmack ist auf der Strecke geblieben.“

Deshalb kehrt er selbst zum seinem 80. Geburtstag nicht mehr auf den Bildschirm zurück, feiert ganz ruhig im Kreise der Familie. Beim Angeln kann man ihn manchmal sehen, lesen soll er viel und mit seiner Eisenbahn spielen. Doch als 2009 seine Tochter Susi (50) bei einem Autounfall in Thailand stirbt, verlässt auch ihren Vater offenbar der Lebenswille. Selbst engste Freunde dringen nun nicht mehr zu ihm durch.

Am Samstag ist Alexander gestorben. Woran, will Erika Swatosch, Sprecherin der Familie nicht sagen. Nur, dass die Beisetzung im engsten Familienkreis stattfindet, hat sie verraten. Auf dem Friedhof in Wien-Grinzing, da wo auch Gattin Hilde und Tochter Susi liegen. Familie Neumayer steht auf dem Grabstein. Ganz bescheiden. Auch im Tod.