Berlin/Pittsburgh. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück wollen sich beim G-20-Gipfel vor allem für die Reform der Finanzmärkte und eine stärkere Regulierung der Banken einsetzen. Die Opposition warf ihnen indes "Maulheldentum" vor. In Pittsburgh kam es zu ersten Protesten.
Unmittelbar vor Beginn des G-20-Gipfels haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück greifbare Ergebnisse zur Reform der Finanzmärkte verlangt. Sie werde darauf dringen, dass der Reform-Elan nicht nachlasse, sagte Merkel die inzwischen in Pittsburgh eingetroffen ist, kurz vor ihrem Abflug in Berlin. Steinbrück merkte an, dass es «Gegenbewegungen aus Standortinteressen an der City of London und an der Wall Street gibt». Die Opposition sprach von Untätigkeit der deutschen Regierung; der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte vor einem Scheitern des Gipfels.
Merkel will vor allem die Finanzmärkte regulieren
In Pittsburgh treffen ab Mitternacht nach mitteleuropäischer Zeit die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer aufeinander. «Die Politik muss den Mut haben, etwas zu machen, was nicht sofort die Begrüßung aller Banken mit sich bringt», forderte Merkel. Zu Bestrebungen einzelner Länder, auf dem Gipfel lieber über Wachstumsstrategien und Ungleichgewichte zu reden, sagte sie: «Wir dürfen jetzt nicht Ersatzthemen suchen und darüber die Finanzmarktregulierung vergessen.»
Der Gipfel in Pittsburgh sei eine «entscheidende Wegmarke», sagte Merkel. Es müsse gelingen, die auf den vorhergegangenen Gipfeln getroffenen Vereinbarungen zur stärkeren Kontrolle der Finanzmärkte umzusetzen. Man müsse die Lehren aus der Finanzkrise ziehen und sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederhole.
Kanzlerin sieht EU gut vorbereitet
Eine Lehre aus der Krise sei: «Wir brauchen Regeln - und zwar für jedes Produkt, für jeden Platz, an dem gehandelt wird, und für jedes Institut», sagte Merkel dem Bayerischen Rundfunk. «Es gibt Tendenzen, dass die Banken schon wieder sagen: 'Lasst uns mal machen, dann wächst die Wirtschaft auch wieder richtig.' Und da müssen wir uns entgegenstellen.» In Pittsburgh müsse vor allem festgelegt werden, dass keine Bank so groß sein dürfe, «dass sie wieder Staaten erpressen darf».
Merkel äußerte die Einschätzung, die EU fahre «gut gerüstet» nach Pittsburgh. Steinbrück lobte ebenfalls das vorbereitende Kommuniqué der Europäer. «Nun müssen alle Mitgliedstaaten der EU diesem Text auch Folge leisten», mahnte er. Es gebe Standortinteressen, die nicht zur Geltung kommen dürften.
Opposition wirft Regierung Maulheldentum vor
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn äußerte die Befürchtung, dass Erholungszeichen der Wirtschaft die Entschlossenheit der Staats- und Regierungschefs dämpften. Im US-Sender PBS mahnte er, Reformen seien notwendig für die Weltwirtschaft.
Die Opposition warf der Regierung Untätigkeit vor. Linksfraktionschef Oskar Lafontaine erklärte: «Außer unverbindlichen Forderungen und populistischen Ankündigungen haben die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister bisher nichts vorzuweisen.» Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin nannte Merkel und Steinbrück «Maulhelden der Bankenregulierung».
Welthandel und Steueroasen auf der Agenda
Im Mittelpunkt des dritten G-20-Gipfels innerhalb eines Jahres steht das Ringen um strengere Eigenkapitalregeln für Großbanken und die Begrenzung von Bonuszahlungen. Merkel und Steinbrück wollen sich zudem für eine Besteuerung von Finanzgeschäften einsetzen. Eine Einigung auf eine solche Steuer wird aber noch nicht erwartet. Laut Steinbrück geht es auch um «glaubwürdige Exit-Strategien» aus den Stützungsprogrammen für die Weltwirtschaft.
Die G-20 will zudem einen Fahrplan für einen Abschluss der stockenden Gespräche über eine Liberalisierung des Welthandels im kommenden Jahr festlegen und die Steueroasen weiter unter Druck setzen. Merkel sagte, sie halte die G-20 für ein «zukunftsfähiges, dauerhaftes Format» für Fragen der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Erstmals steht auch der Klimaschutz auf der Tagesordnung eines G-20-Gipfels.
Noch vor Beginn des Gipfels kam es am Donnerstag in Pittsburgh zu ersten Protestaktionen. Die Polizei ging am Nachmittag (Ortszeit) gegen mehrere hundert Gipfelgegner vor, die zum Kongresszentrum marschieren wollten. Zu dem nicht genehmigten «Marsch der Massen» hatte das «Pittsburgh G-20 Resistance Project» aufgerufen, ein Zusammenschluss von Gipfelgegnern. (afp/ap)