Essen.. Eine angenehme Runde mit Quoten-Mann diskutierte im Polit-Talk das ansonsten heftig umstrittene Thema. Ergebnis: Am Ende werden sie es auch ohne schaffen – die Quote würde aber die Denkprozesse in den Jungs-Cliquen beschleunigen.
Ein politischer Journalist hat jüngst folgende Rechnung aufgemacht: Die Grünen waren die Partei mit der ersten Frauenquote, die CDU hatte noch nie eine echte. Die Grünen haben heute Claudia Roth, die CDU Angela Merkel. Und die Lehre, die sich aus der kleinen Parteien-Analyse ergibt, war letztlich auch das Ergebnis der gestrigen (äußerst angenehmen) Talkrunde bei Maybrit Illner zu diesem Thema: Es gibt gute Gründe für die Quote – es gibt gute Gründe, dagegen zu sein. Am Ende aber wird es darauf hinauslaufen, dass sich die Frauen auch die letzten Männer-Bastionen der Macht erobern werden, weil es tausend Gründe dafür gibt und es sinnvoll ist für die Wirtschaft und die Gesellschaft.
Die Frage ist damit nur noch, ob die Politik diesen Prozess forcieren soll oder nicht. Für Michael Rogowski, Ex-BDI-Präsident, Vertreter des traditionellen Wirtschaftsposition und an diesem Abend der Quoten-Mann der Runde ist die Antwort klar: Eine gesetzliche Regelung ist völlig überflüssig und – mehr noch – peinlich für die Frauen. Denn sie lasse letztlich immer Zweifel an der Qualifikation der Betroffenen zu. Und wer gut ist, komme eh an die Spitze. Die demografische Entwicklung, sprich der wachsende Fachkräftemangel, spiele den Frauen in die Hände, so Rogowski. Zudem gibt es immer mehr Studien, die nachweisen, dass Konzerne mit Frauen im Vorstand mehr Geld verdienen als solche ohne. Die Firmen seien von sich aus bereits dabei, kräftig umzusteuern.
Bestätigt wird er in dieser These von Familienministerin Kristina Schröder, die über ihre Gespräche mit Headhuntern berichtet, die derzeit „händeringend nach Frauen für Spitzenpositionen“ suchen würden – ohne die geforderte Anzahl auftreiben zu können. Unter anderem deshalb, weil viele Frauen nicht bereit seien, sich den herrschenden Strukturen in den Konzern-Vorständen auszusetzen: den üblichen 70 bis 80 Wochenstunden an Arbeitszeit, der Hackordnung, den aufreibenden Konflikten, in denen es oftmals nicht um die Sache geht, sondern um Machtgerangel. Um attraktiver für die weiblichen Spitzenkräfte zu werden müsse sich vielerorts auch die Firmenkultur ändern: Wer 70 bis 80 Stunden pro Woche im Büro verbringe, gelte beispielsweise in anderen Ländern in erster Linie als überfordert. In Zeiten moderner Kommunikation könne auf prestigeträchtige Dauerreiserei verzichtet werden, auch große Firmeneinheiten ließen sich dank flacher Hierarchien per IPhone lenken.
„Die Quote verändert sofort das Denken“
Ein höherer Anteil an weiblichen Führungspositionen bedeutet also nicht: Weiter wie bisher, nur mit mehr Frauen. Wer etwa Mütter für eine solche Stelle interessieren will, der muss auch darüber nachdenken, wie Kinder-kompatibel man den Job gestalten kann, zum Beispiel durch Teil- und Gleitzeit und den firmeneigenen Kindergarten. Eine Forderung, die im übrigen auch immer mehr Väter umtreibt.
Aber all das passiert immer noch zu selten, wie die Schauspielerin Maria Furtwängler und die junge Attac-Aktivistin Kathrin Henneberger betonten: Sie stritten beide für die Quote – ganz einfach, weil auch in den vergangenen zehn Jahren von allen Seiten immer wieder betont wurde, wie wichtig weibliche Spitzenkräfte sind, ohne dass sich an deren Unterrepräsentation tatsächlich etwas geändert hätte. Die Zeit-Journalistin Susanne Gaschke hat es jüngst treffend formuliert: „Die Quote verändert sofort das Denken. Wenn sie kommt, dann reicht es schlagartig nicht mehr, dass die Generation der verbal aufgeschlossenen 50jährigen Chefs nett über Frauen reden. Sie werden vielmehr aktiv nach guten Frauen suchen müssen, statt ihre Männerseilschaften zu pflegen.“ Darum geht es: Um das immer noch bestehende Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis: Offiziell wird der Gleichberechtigung im Job Tür und Tor geöffnet, im informellen Kreis herrschen weiter die Testosteron-gesteuerten Riten der Jungs-Clique, samt Konsens, dass Frauen für den „schweren Job da oben“ nicht taugen.
Wobei Frau auch sagen dürfen muss, dass sie überhaupt keine Lust hat, darauf, wie die Buch-Autorin Birgit Kelle betonte. Sie kenne viele Frauen, die die Mutterschaft so erfüllend empfinden, dass sie gar nicht in die Arbeitswelt zurück wollen. Wer allerdings so etwas äußere, der sei heute ebenfalls ein Außenseiter und geächtet – was der Familienministerin die Gelegenheit fürs Schlussplädoyer gab: Die Frauen, so Schröder, hätten heute sehr viel mehr Wahlmöglichkeiten als noch vor 30 Jahren. „Nur bekommen sie von allen Seiten gesagt, dass sie das falsche Leben leben.“ Sind sie „nur“ Hausfrau und Mutter werden sie als verwöhnte Tusse abgetan, setzen sie auf die Karriere und blieben bislang kinderlos gelten sie als egoistisch, versuchen sie Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, werden ihnen Vernachlässigung der Kinder und Halbherzigkeit im Beruf vorgeworfen. „Frauen haben derzeit immer schlechte Aktien in der öffentlichen Debatte“, so die schwangere Ministerin, die sich offenbar mental bereits auf Entsprechendes einstellt. Und das ist das zweite Fazit: Auch wenn die Frauen die letzten Männerbastionen der Macht erobern – leichter wird es für sie damit nicht.