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Warum hat Monica Lierhaus ihrem Freund vor Kameras einen Heiratsantrag gemacht? Die einen hat der Auftritt der behinderten Sportjournalistin gerührt, andere befremdet. Philosoph Richard David Precht glaubt, dass wir Grenzen verlieren.
Was gehört in die Öffentlichkeit, was bleibt privat? Darüber muss man nicht nur beim Anblick von Casting-Shows und Dschungelcamps nachdenken, darüber diskutieren viele auch nach dem Auftritt der nach einer Hirnblutung behinderten Sportjournalistin Monica Lierhaus bei der Verleihung der "Goldenen Kamera" im ZDF . Selbst in einem Interview mit Philosoph Richard David Precht im Radio-Talk auf WDR 2 war Lierhaus' Heiratsantrag an ihren Lebensgefährten Thema. Er könne den Drang, Privates öffentlich zu machen, nicht nachvollziehen, sagte Precht - nehme ihn aber auch wahr: "Es ist sicherlich ein Phänomen unserer Zeit, dass sehr viele Menschen ihre Hemmungen vor der Öffentlichkeit verloren haben."
Ein Phänomen, das Anlass zur Sorge gebe, findet der 46-Jährige, der unter anderem eine Autobiographie veröffentlicht hat - "weil vor allem die Jüngeren gar nicht mehr wissen, was sie an ihrer Intimität haben". Das hänge wohl mit der Allgegenwart der Medien zusammen, vermutete Precht, der sich nie direkt auf Lierhaus bezog: "Die alte Barriere zwischen dem, was öffentlich und was privat ist, existiert in dieser Gesellschaft nicht mehr in ihrer früheren Form - und damit verliert man die Grenzen."
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„Man hätte sie vor den Kameras bewahren sollen"
Monica Lierhaus’ Auftritt am Samstag hat Millionen Menschen bewegt, auch Tage nach der Preisverleihung ist die Rückkehr der Sportjournalistin in die Öffentlichkeit für viele ein Thema. Respekt ist eine häufige Reaktion auf den Auftritt - für Lierhaus’ Mut, gezeichnet von Krankheit ins Rampenlicht zu treten. Andere aber waren peinlich berührt, verstanden vor allem Lierhaus' Schritt nicht, ihrem Freund Rolf Hellgardt vor laufenden Kameras einen Heiratsantrag zu machen oder kritisieren das ZDF, das Lierhaus’ Schicksal zum Teil der Show machte.
Deutlich wird die Berliner Zeitung in ihrem Kommentar: „Wichtig wäre es gewesen, diese wunderbare Frau vor sich selbst zu schützen, ihr die Peinlichkeit dieser Selbstentblößung zu ersparen“, heißt es da, und weiter: „Man hätte sie vor den Kameras bewahren sollen, die eine Frau zeigten, für die das alles noch zu früh kam. Es heißt jetzt, sie selbst hätte das so gewollt. Vielleicht stimmt das sogar, aber umso energischer hätte man sie von diesem Schauspiel abhalten müssen. Man weiß nicht, ob das alles einstudiert war oder ob sie es spontan gemacht hat. Aber eigentlich ist das auch egal. Zurück bleiben ein klebriges Gefühl, ein bitterer Geschmack und eine Frau, die zum Opfer ihrer Begierde wurde.“
„Wir hätten uns auch ohne diese Inszenierung am Schluss mit Monica Lierhaus gefreut“
Die Stuttgarter Nachrichten loben Lierhaus für ihr Kämpferherz, mochten aber die Inszenierung nicht: „Bei der Verleihung der Goldenen Kamera hat Monica Lierhaus gezeigt, dass sie ein Kämpferherz hat. Die ehemalige Sportmoderatorin tritt auf wackeligen Beinen ans Mikrofon und bedankt sich mit monotoner, brüchiger Stimme bei allen, die ihr in den schweren zwei Jahren zur Seite gestanden haben. Das ist ein klares Statement: Monica Lierhaus ist noch nicht gesund, aber sie arbeitet daran. Sie will zurück in die Öffentlichkeit. Dass sie dabei ihrem Partner vor einem Millionenpublikum einen Heiratsantrag macht, mag allerdings befremdlich wirken. Wir hätten uns auch ohne diese Inszenierung am Schluss mit Monica Lierhaus gefreut – über ihr Befinden und ihren Mut.“
Die Nürnberger Nachrichten sahen Lierhaus eine Lanze brechen für andere Kranke: „Muss man in diesem Zustand in die Öffentlichkeit und dann gleich mit einem Heiratsantrag? Monica Lierhaus’ unangekündigter Auftritt bei der Verleihung der „Goldenen Kamera“ dürfte bei manchen Zuschauern zwiespältige Gefühle hinterlassen haben. Doch es ist wichtig und richtig, dass Leid und Krankheit auch inmitten der Glamour-Welt des Showbiz ihren Platz bekommen. Die einst so fitte und heute von Leid gezeichnete Sportmoderatorin gemahnte mit ihrem tapferen Auftritt daran, dass es jeden von uns mit einer derartigen Erkrankung treffen kann. Und sie macht mit ihrer Haltung all denjenigen Mut, die von einem ähnlichen Schicksalsschlag als Patienten oder Angehörige betroffen sind. Wenn dieser Auftritt Monica Lierhaus hilft, weiterhin so kämpferisch gegen die Folgen ihrer Hirnblutung anzugehen, dann war er richtig.“
Goldene Kamera für Lierhaus„Monica Lierhaus hat uns allen Mut gemacht, dass es sich immer zu kämpfen lohnt“
Nachsichtig zeigt sich die Mittelbayerische Zeitung in Sachen Kitsch - weil Monica Lierhaus Mut mache: „Heiratsanträge vor laufender Kamera hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck: Die einen rührt es zu Tränen, für andere ist es Kitsch hoch zehn. Doch in diesem besonderen Fall, in diesem besonderen Moment, als Monica Lierhaus ihren Freund Rolf Hellgardt vor Millionen von Fernsehzuschauern um das Ja-Wort gebeten hat, werden auch die Härtergesottenen unter uns Nachsehen geübt haben. Zu bewegend war Lierhaus’ Rede bei der Verleihung der Goldenen Kamera, ebenso couragiert wie respekteinflößend dieser Schritt zurück ins mediale Leben.
Die ehemalige Sportjournalistin, die mehrere Monate im künstlichen Koma lag, hat durch ihren ersten TV-Auftritt nach zwei Jahren gezeigt, dass sie sich auch von dieser schweren Erkrankung nicht kleinkriegen lässt. Monica Lierhaus hat uns allen Mut gemacht, dass es sich immer zu kämpfen lohnt - egal, wie düster die Prognosen sind. Sie ist ein Vorbild für viele Menschen in schweren Lebenssituationen. Der Ehrenpreis kommt auch deshalb gerade recht.“ (WE/dapd)