Essen.. Walter Kohl sprach bei „Beckmann“ über das Leben als Kanzlersohn, den Suizid seiner Mutter und die zweite Hochzeit seines Vaters. Statt mit Helmut Kohl rechnete der Sohn des Altkanzlers mit einigen anderen ab.
Wer eine knallharte Abrechnung des enttäuschten Sohnes mit dem lieblosen Politikervater erwartet hatte, wurde enttäuscht. So sehr sich Reinhold Beckmann auch bemühte, den ältesten Sohn von Helmut Kohl aus der Reserve zu locken, es gelang ihm nicht. Sein gerade erschienenes Buch „Leben oder gelebt werden“ beschreibe den „Weg der Versöhnung“, stellte Walter Kohl bereits zu Beginn der Sendung am Montagabend fest.
Vorwürfe gab es aber trotzdem. Allerdings nicht gegen den Einheitskanzler, sondern gegen all die Menschen, die ihn immer nur als den „Sohn vom Kohl“ gesehen hätten. „Die Leute sehen meinen Vater, sprechen aber mit mir“, erklärte der 47-Jährige. In der Schule, in der Bundeswehr und sogar später im Beruf hätte er das erlebt. Und wenn man ihn anschaut, erstaunt es einen nicht. Das Gesicht, die Haare, die Ähnlichkeit zu seinem Vater, Helmut Kohl, ist verblüffend.
Doch daran liegt es nicht. Bereits in seiner Kindheit musste Walter Kohl erleben, was es heißt, der Sohn eines Politikers zu sein. Als er sich mit acht Jahren bei einem Fußballclub anmelden wollte, jagten sie ihn mit einer abgebrochenen Bierflasche davon. Die Politik seines Vaters, damals noch Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, gefiel ihnen nicht. Mit 13 schlugen ihn ein paar Oberstufenschüler auf der Toilette zusammen, der hitzige Landtagswahlkampf 1976 war Schuld. Solche Erlebnisse gab es im Leben von Walter Kohl zuhauf, er nennt sie „Sohn-vom-Kohl-Situationen.“
Und dann war da noch die Bedrohung durch den Terrorismus, die RAF. Sicherheitskräfte erklärten dem Jungen: „Der Staat darf sich nicht erpressen lassen.“ Bei fünf Millionen Euro sei Schluss. Ein höheres Lösegeld werde man im Falle seiner Entführung nicht bezahlen. Harte Worte, besonders für ein Kind. „Das war das Preisschild auf mein Leben“, beschrieb Walter Kohl bei „Beckmann“ seine Gefühle. Und wieder keine Vorwürfe gegen den Vater. Der Frau und Söhne durch seine Karriere in diese gefährliche Bedrohungssituation gebracht hatte.
Beckmann versuchte es erneut. Er zitierte einige Passagen aus dem Buch von Walter Kohl. „Du musst stehen“, hätte Helmut Kohl immer zu seinem Sohn gesagt, ganz gleich, welche Sorgen und Ängste das Kind bedrückten. „Für meinen Vater war und ist die Politik seine eigentliche Heimat. Seine eigentliche Familie heißt CDU, nicht Kohl“, schreibt der Kanzlersohn in seinem Buch. Bei „Beckmann“ fügt er beinahe entschuldigend hinzu: „Mein Vater hat ein großes politisches Ausnahmetalent, wie ein Musiker.“
Leichter Groll gegen den Vater
Erst beim Thema Parteispendenaffäre, die Walter Kohl auch für den späteren Suizid seiner Mutter Hannelore mitverantwortlich macht, war ein leichter Groll gegen den Politikervater zu spüren. „Das hat meiner Mutter zutiefst in der Seele wehgetan. Ihr wurde das Gesicht genommen“, sagte er bei „Beckmann“. Die Spendenaffäre sei der „Beginn der Zäsur“ zwischen seinem Vater und ihm gewesen.
Und schon nimmt er Helmut Kohl wieder in Schutz. In den Medien sei der Anruf von Juliane Weber, der Büroleiterin seines Vaters, nach dem Selbstmord seiner Mutter im Juli 2001 falsch dargestellt worden. In einer „handylosen Zeit“ hätte der Vater ihn nicht anrufen können. Der Weg über die Büroleiterin sei der schnellste gewesen.
Während der gesamten Sendung bleibt diese Mischung aus unterdrückter Wut und Erklärungen. Etwa für das Verhalten seines Vaters, der als Abgeordneter in Berlin blieb, während seine Frau an einer schweren Lichtallergie litt, die sie am Ende zwang in völliger Dunkelheit zu leben. „Vielleicht hätte er mehr Zeit mit meiner Mutter verbringen sollen“, meint Walter Kohl, um im nächsten Moment hinzuzufügen: „Aber sie wollte auch, dass mein Vater als Abgeordneter in Berlin bleibt.“
Erst beim Gespräch über die zweite Hochzeit Helmut Kohls mit Maike Richter im Mai 2008 trat die Enttäuschung offen ans Licht. Aus der „Bild“-Zeitung habe er erfahren, dass die Hochzeit im „engeren Kreis“ stattgefunden habe. Er selbst war nicht eingeladen. Seine Frage „Willst du die Trennung?“, habe der Vater mit „Ja!“ beantwortet. Vor einem dreiviertel Jahr habe er Helmut Kohl zum letzten Mal gesehen. Sein Fazit: „Ich bin kein Kohlianer mehr“.
Und so sehr Walter Kohl bei „Beckmann“ auch darauf beharrte, nicht wütend zu sein, sich ausgesöhnt zu haben und die Situation so, wie sie ist, zu akzeptieren. Man konnte und wollte es ihm nicht glauben. Vielleicht, weil es einfach unvorstellbar ist, dass ein Kind aufhört, sich nach der Liebe seines Vaters zu sehnen und ihre Abwendung akzeptiert. Und Walter Kohl selbst förderte diese Skepsis. Auf Beckmanns Frage, ob sein Vater das Buch schon gelesen habe, antwortete er: „Bis jetzt hat er sich noch nicht gemeldet.“ Die Hoffnung war unüberhörbar.