Stuttgart. . Er gilt als konservativ, will Änderungen beim Länderfinannausgleich und mag das Wort Wutbürger gar nicht. Im Interview nimmt der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), Stellung zu vielen aktuellen Fragen.

Das Eichenparkett knarzt leise, tiefe Teppiche dämpfen den Schritt, das Ambiente ist gediegen. In den Regalen der Bibliothek der Staatskanzlei in der noblen Villa Reitzenstein hoch über Stuttgart steht Klaus Mehnert neben Erich Fromm, Peter Scholl-Latour neben Arnulf Baring. Die Bände sehen unbenutzt aus.

Für eine gepflegte Lektüre hat der Hausherr in diesen Wochen wenig Zeit. Stefan Mappus (CDU), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, befindet sich im Wahlkampf. Am 27. März geht es nicht nur um Baden-Württemberg und das Stuttgarter Bahnhofsprojekt, die Wahl ist bundespolitisch wichtig. Muss die CDU erstmals nach 58 Jahren in die Opposition, könnte dies Auswirkungen auf die Regierung Merkel in Berlin haben. Mit Mappus sprachen Ulrich Reitz und Walter Bau.

Herr Ministerpräsident, beim Länderfinanzausgleich will Baden-Württemberg nicht mehr für die ärmeren Länder zahlen. Lautet das Motto im Schwabenland jetzt wieder: Mir gebet nix?

Stefan Mappus: Baden-Württemberg hat bisher 50 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Das ist ja wohl deutlich mehr als nix. Der Schwabe will aber nicht zusehen, wenn andere sich im Länderfinanzausgleich einrichten und sich Dinge leisten, die wir den Bürgern nicht zukommen lassen können. Das mache ich jedenfalls auf Dauer nicht mit.

Sie haben viereinhalb Milliarden Euro für den Einstieg des Landes beim Energiekonzern EnBW ausgegeben. Was haben Sie dagegen, wenn NRW das dritte Kindergartenjahr kostenlos macht?

Mappus: Ich hätte nichts dagegen, wenn NRW oder andere Nehmerländer das Geld in Investitionen für die Zukunft stecken würden, in neue Jobs oder in moderne Technologien, damit unsere Zahlungen eine Hilfe zur Selbsthilfe sein können. Stattdessen zieht Ministerpräsidentin Kraft als Wohltäterin durchs Land, will Kindergarten- und Studiengebühren ab­schaffen. Damit verfrühstückt sie unser Geld und verschärft gleichzeitig die eigene Finanzmisere noch. Im Übrigen finanziert sich der Ankauf der EnBW-Anteile über die Dividende und wird den Steuerzahler keinen Cent kosten.

NRW war lange Jahre Geberland im Finanzausgleich. Hat das Land nicht jetzt, wo es auf die Nehmerseite gerutscht ist, das gleiche Anrecht auf Solidarität wie zuvor andere Länder?

Mappus: Wer unverschuldet in eine Notlage gerät, hat natürlich Anspruch auf Solidarität. Aber nicht, wenn man die Not durch großzügige Wahlgeschenke selbst verschlimmert.

Nicht nur in Deutschland, auch in Europa gibt es eine Kluft zwischen Arm und Reich. Ist der Länderfinanzausgleich aus Ihrer Sicht ein abschreckendes Beispiel für eine europäische Transferunion?

Mappus: Unbedingt. Europa darf keine Transferunion werden, in der Länder, die vernünftig wirtschaften, dafür bestraft werden, wenn sie Ländern, in denen verantwortungslose Fi­nanzpolitik gemacht wird, unter die Arme greifen müssten. Eine Politik zu Lasten Deutschlands darf es nicht geben.

Ist dies auch eine Absage an die sogenannten Eurobonds, also gemeinschaftliche Anleihen aller Euro-Länder, um sich Geld am Kapitalmarkt zu besorgen?

Mappus: Ja. Ich bin ganz klar gegen die Eurobonds. Sie hätten letztlich den gleichen Effekt wie eine Transferunion, nämlich die stärkeren Staaten zu schwächen.

Die meisten Bürger sind über eine solche Europa-Politik enttäuscht. Sie halten die Politiker für allzu abgehoben. Eine ähnliche Erfahrung haben Sie selbst bei Stuttgart 21 gemacht. Wollen Bürger überhaupt noch geführt werden?

Mappus: Führung ist wichtig. Aber Führung heißt nicht Diktat, sondern beteiligen, überzeugen, abwägen – und umsetzen.

Haben Sie bei Stuttgart 21 zu wenig geführt? Oder lassen die Wutbürger sich doch nicht mehr so leicht führen?

Mappus: Ich finde den Begriff Wutbürger und die Interpretation dieses Begriffs offen gesagt ziemlich daneben. Es geht gar nicht in erster Linie um Wut. Es geht vielmehr darum, dass der Bürger anspruchsvoller geworden ist. Er will Bescheid wissen, und zwar genau. Er will Transparenz und Aufklärung. Und dies ist ja auch völlig in Ordnung. Nur: Diese Entwicklung hat die Politik insgesamt bei Stuttgart 21 zu spät erkannt. Eine Moderation, wie Heiner Geißler sie ge­macht hat, muss künftig am Anfang der Planung von Großprojekten stehen, und nicht am Ende.

Heiner Geißler, der Mann fürs schwarz-grüne Lebensgefühl. Manche sagen, die Grünen seien die neuen Liberalen, weil sie auch FDP-nahe Wähler anziehen.

Mappus: Zu behaupten, die Grünen wären die neuen Liberalen, ist blanker Unsinn. Sie sind vielmehr auf dem Weg zur reinen Protestpartei. Was die Grünen machen, ist Populismus um jeden Preis, um an die Regierung zu kommen. Sie betreiben als Dagegen-Partei willkürliches Einsammeln von Widerständen.

Wo beispielsweise?

Mappus: Stuttgart 21. Zuerst waren sie für die Schnellbahntrasse nach Ulm, jetzt sind sie auch da dagegen. Am Schluchsee kämpfen sie sogar gegen ein Pumpspeicherkraftwerk. Den nächsten grünen Rückzieher prophezeie ich Ihnen schon jetzt in der Energiepolitik. Deutschland braucht ein neues Netz von Stromleitungen, um die Windenergie von der Nordsee ins Binnenland zu transportieren. Schon jetzt formiert sich Widerstand gegen die neuen Leitungsmasten. Da werden die Grünen wieder munter mitmischen, allen Bekenntnissen zur Öko-Energie zum Trotz. Warten Sie’s ab. Demnächst werden sie sicher noch per SMS zu Anti-Mobilfunkmasten-Demonstrationen aufrufen.

Sie gelten als Vertreter des konservativen Flügels in der CDU...

Mappus: Ja, dieses Prädikat haftet mir wohl an. Ich will aber, dass un­sere drei Strömungen christlich-sozial, konservativ und liberal die CDU gleichermaßen prägen.

Dann mal konkret. Wie stehen Sie beispielsweise zu eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften? Oder zu Adoptionen von Kindern durch homosexuelle Paare?

Mappus: Gegen eingetragene homosexuelle Lebensgemeinschaften habe ich gar nichts. Beim Adoptionsrecht für homosexuelle Paare bin ich allerdings sehr skeptisch.

Warum?

Mappus: Ich glaube, es ist eben doch ein Unterschied, ob ein Kind bei Vater und Mutter aufwächst oder bei zwei Vätern beziehungsweise zwei Müttern. Ebenso wie ich gegen künstliche Barrikaden bin, halte ich auf der anderen Seite nichts von künstlicher Gleichmacherei.

Konservativ bedeutet in der CDU ja oft kirchennah. Prominente Parteifreunde von Ihnen wie Bundestagspräsident Norbert Lammert oder Bundesbildungsministerin Anette Schavan haben sich für eine Abkehr vom Pflicht-Zölibat für katholische Priester stark gemacht. Wie stehen Sie dazu?

Mappus: Sie wissen, ich bin Protestant...

Genau deshalb fragen wir Sie ja.

Mappus: …und genau deshalb antworte ich in gebotener Zu­rückhaltung. Wenn man sieht, dass die Zahl der jungen Männer, die katholische Priester werden wollen, stark rückläufig ist, verstehe ich, dass man sich mit Blick auf die Situation der Kirchengemeinden über andere Wege Gedanken macht. Ich habe daher ein hohes Maß an Sympathie für die Initiative von Norbert Lammert, Anette Schavan und Erwin Teufel.

Sind Sie auch beim Essen konservativ? Oder sind Sie ein Besseresser?

Mappus: (lacht) Wenn Sie damit meinen, ob ich sehr auf eine Bio-Ernährung achte, muss ich Ihre Frage ehrlicherweise verneinen. Ich ernähre mich nicht ausschließlich von Grünkernbuletten und biologisch korrekt angebautem Obst. Wir sind ein freies Land und da soll jeder nach seinem Geschmack satt und zufrieden werden.

Die neue vegetarische Welle hat Sie nicht erfasst?

Mappus: Nein, es geht doch nichts über einen schwäbischen Zwiebelrostbraten.