Düsseldorf. Durch 17 Hallen und tausend Träume: Ein Rundgang durch die Messe in Düsseldorf - vorbei an Yachten für vier Millionen Euro bis hin zum Gummi-Schiffchen für 85.
Guten Tag, ich hätte gern ein Boot. Oder muss man hier „moinmoin“ sagen oder gleich „ahoi“? Aber wir sind ja in Düsseldorf, das Meer ist weit und die Messe ein Trockendock. Auf der „Boot“ kann auch ein Leichtmatrose ganz laienhaft mal anheuern und eine Kreuzfahrt unternehmen durch 17 Hallen und tausend Träume. Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise!
Also, ein Boot. Mit „360 Grad Wassersport“ wirbt die 42. Auflage, also: Boote, wo du hinguckst. Motorboote, Segelboote, Powerboote, Paddelboote, Gummiboote, Fischerboote, Charterboote, Mehrrumpfboote, und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Nur ist da nirgends Wasser. „Liegen alle auf dem Trockenen“, sagt jemand enttäuscht. „Ein Schiff muss man sehen“, erklärt ein Mann im Marinepulli einem Mann im Marinepulli. Deshalb wohl haben sie sie aufgeständert und nur die kleinen auf Teppich festgemacht. Je teurer, desto höher, das größte von allen hängt fast unterm Hallendach – als sähen wir nicht ohnehin zu ihm auf.
Vier Millionen die Yacht
„Komm“, sagt ein junges Mädchen, „gehen wir zusammen zu so ‘nem Riesen-schönen Schiff!“ Ein Schiff wird kommen, und meinen Traum erfüllen, aber hier muss schon der Kunde zum Traum kommen, wenn er kann: Über vier Millionen kostet das teuerste, kein schnödes Boot, eine Yacht natürlich, aber dafür würden sie es dem Kunden auch zu Wasser lassen. Obwohl dieser Halbstarke da vorn behauptet: „So welche stehen die ganze Zeit im Hafen rum, Alter, die lassen die gar nicht ins Wasser.“ Das will man ja nun auch nicht. Die Austern übrigens gibt es nebenan für 13 Euro.
Winzig wirken die Landratten, wie sie die Nasen emporrecken zu frisch polierten Kielen, die noch nie ein Seegrashalm kitzelte. „Für Kaiser und Prinzessinnen“ wirbt ein Bootsbauer, sind wir nicht, haben wir nicht und einen Kanzler auch nicht: Das Boot ist von Brioni. Oben ist der Champagner im Kühler noch zu, die Dame am Empfang trinkt Saft vom Discounter. Komm auf das Schiff meiner Träume, aber bitte nur mit Termin.
Die lassen nicht jeden an Bord, und wenn, dann Schuhe aus und Puschel-Pantoffeln an; das sieht seltsam aus zum auffällig unauffälligen Schick und vor der Gangway wie vor einer Moschee.
„Die sehen alle gleich aus“, klagt jemand, der jetzt nicht die Stammkunden meint, sondern die Schiffe: „Alle weiß.“ Unten rund, vorne spitz, hinten kurz. Wie abgeschnitten! „Irgendwo muss ja der Motor dran“, erklärt ein Besucher. Wobei das mit dem Weiß nicht stimmt, hier liegt ein Rennboot in Retro-Orange. Ein Film verortet es in St. Tropez statt Düsseldorf. Steig in das Traumboot der Liebe: Auf dem Deck liegt eine Bikini-Schönheit einem Sixpack-Träger zu Füßen, aber leider gehört das nicht zur Grundausstattung. Wohl aber das „Anti-Boredom-System“: Anti-Langeweile! Soll sein bei 1896 PS.
Bescheiden wenden wir uns einem roten Bötchen zu: „Merry Fisher“, das würde nun wirklich passen, noch dazu zu 163,65 Euro. Monatlich, bei 144 Monaten allerdings. Das Messe-Restaurant „Zum Schiffchen“ serviert heute Rostbratwurst.
Aus der Trendsporthalle, wo selbst im Januar braungebrannte Beine in Billabong stecken, eilt ein Brett vorbei, gefolgt von einem Surf-Segel, Mast- und Schotbruch, Jungs. Wir stehen vor einer Zwölfmeter-Yacht. „Nichts zum Drauf-Leben“, urteilt kritisch ein Passant, und wir erwägen kurz, uns zum Gebet in die Messe-Kirche zurückzuziehen: Hat die nicht auch ein Schiff? Doch nebenan sind die Holländer in bunten Tulpengärten vor Anker gegangen, und, Klischee, Klischee, dazwischen stehen auch: die marineblauen Zweireiher mit Goldknöpfen zu grauen Flanellhosen und Segelschuhen. Verkaufen gebraucht ein „sehr komplette Schiff, noch viele sinnvollen etxra’s“ für über 200 000 Euro. Haben ansonsten Hausboote und die Grachten dazu, zum Segler den Liegeplatz am Ijsselmeer und dann diesen angesehenen Yachtbauer, der „De Alm“ heißt. Aber was weiß der Niederländer von Almen? Die „Pacific Princess“ hat er indes tatsächlich sehr hoch gebaut.
Wir bleiben auf dem Teppich. Ein rotes Motorboot für 56 000 Euro? Eine stromlinienförmige „Siliconfire“ in Himmelblau? „Geht als Farbe überhaupt nicht“, sagt jemand, der kundig aussieht. Ein schönes „Picknickboot“ gibt es mit Korb, 8000 aufwärts, aber es will gar keinen Käufer: „Haendler gesucht“, steht an der Wand. Ein Kanu kostet auch schon zwei Tausender, wie wäre es mit dem „Karpfenjäger“, bloß 162 Zentimeter lang, in Jagdgrün? „Hol ich dir“, sagt ein Mann zu seiner Frau, „dann fahren wir Wasserski.“ Also noch einen Stand weiter: Er hat ein knallrotes Gummiboot, 85 Euro, rund.
Wir aber streichen erschöpft die Segel und legen ab auch ohne Boot von der Boot. In meiner Badewanne bin ich Kapitän.