Berlin. Die Bundeswehr-Vorfälle um Gorch Fock, Todesschuss und Feldpost bringen den Verteidigungsminister in Bedrängnis - und durchkreuzen seinen Zeitplan, mit dem er politisch punkten wollte.
Aller schlechten Dinge sind drei. Wer hat die Feldpost von zig Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan geöffnet - und vor allem: wozu? Und wie war der genaue Hergang, der kurz vor Weihnachten zum Tod eines 21-jährigen Soldaten in Afghanistan führte? Neben dem Skandal auf der Gorch Fock sind das die anderen beiden Baustellen, die Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg plagen und nicht nur Oppositionspolitiker fassungslos machen. „Wenn man es gut mit der Informationspolitik des Verteidigungsministeriums meint, dann muss man von Chaos sprechen“, ätzten am Donnerstag Fachpolitiker der FDP.
Für Guttenberg, Umfrage-Liebling und für manche schon gefühlter Merkel-Erbe, kommt die Pannenserie zur Unzeit. Der politisch beschlossene Abzug aus Afghanistan und die Mega-Reform der Bundeswehr sollten eigentlich seinen Kalender bestimmen.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, kommt dem CSU-Star jetzt mit einem großen Problem-Paket in die Quere.
Die wichtigsten Details nach Informationen dieser Zeitung: Am Tag vor der Weihnachts-Visite von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Afghanistan am 18. Dezember 2010 kommt es in einem Außenposten bei Pol-i-Khomri südlich von Kundus in einem Bundeswehrzelt zu einer für Außenstehende unfassbaren Tragödie.
Soldaten hantieren mit Waffen, Motive unklar, „möglicherweise Macho-Gehabe, Überdruss, Langweile“, wie es in gut unterrichteten Kreisen heißt. Plötzlich löst sich ein Schuss. Ein 21-jähriger Hauptgefreiter aus Bischofswiesen in Bayern stirbt. Erste Darstellung der Bundeswehr: tragisches Versehen beim Waffenreinigen.
Im Verteidigungsausschuss kommt am Mittwoch erst nach Intervention von Königshaus heraus: alles gelogen. Rund zehn Soldaten waren Augenzeugen, als sich der Schuss löste und den Kopf des Kameraden durchschlug.
Das Ministerium informiert schon am 6. Januar 2011 die Staatsanwaltschaft in Gera, ein Soldat aus Ostthüringen soll der Schütze gewesen sein. Feldjäger, die Militärpolizei, erstellen einen umfangreichen Bericht, der seit 14. Januar der Justiz vorliegt. Gera ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Die Parlamentarier aber bleiben im Detail bis Mittwoch außen vor. Der Minister auch?
Guttenberg wich der Frage am Donnerstag aus, ob er sich – wie damals in der Affäre um den Bombenangriff bei Kundus – von seinen Stäben schlecht informiert fühle. Die Opposition schäumt: „Wenn Minister Guttenberg nicht frühzeitig über den wahren Unfallhergang informiert wurde, hat er sein Haus nicht im Griff“, sagte der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour. Er verwies auf die nächste Sitzung des Verteidigungsausschusses am Mittwoch: „Da müssen endlich konsolidierte Wahrheiten auf den Tisch.“ Das gilt – neben der Causa Gorch Fock – auch für den dubiosen Brief-Skandal.
Briefe geöffnet
In Gesprächen mit der Truppe in Afghanistan erfuhr der Wehrbeauftragte in der vergangenen Woche, dass dutzendfach Feldpost in Deutschland aufgebrochen angekommen ist. Merkwürdig dabei: Die geöffneten Briefe wurden offenbar ausschließlich vom Vorposten „OP North“ in der nordafghanischen Provinz Baghlan abgeschickt, wo Internet und Telefon eine Kommunikation mit Deutschland kaum zulassen. Die Absender sollen vor allem Fallschirmjäger aus dem niedersächsischen Seedorf sein; eine Truppe, die im militärischen Alltag gemeinsam mit afghanischen Soldaten mitunter täglich im Kampf gegen die Taliban steht.
Die Post, die über Darmstadt jeden Monat rund 130 000 Soldaten-Briefe vor allem aus Afghanistan verarbeitet, erklärte am Donnerstag erneut: Der Fehler muss bei der Bundeswehr liegen. Nur wo? Guttenberg hat, auch hier, Aufklärung versprochen.