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Das Landesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil zur altersabhängigen Urlaubsstaffelung für Unruhe gesorgt. Müssen nun alle Regelungen in den Tarifverträgen gekippt werden? Nein, meinen Tarifexperten. Auf mehr Urlaub dürfen Jüngere nicht hoffen.

Dass hunderttausende Arbeitnehmer sofort die Gerichte anrufen werden, um mehr Urlaub einzuklagen, ist unwahrscheinlich. Und doch: Das Urteil des Landesarbeitsgerichts in Düsseldorf wird Tarif- und Arbeitsrechtsexperten zufolge viele Prüfungen und Verhandlungen auslösen, wenn es rechtskräftig wird.

Wie berichtet, hatte das Gericht am Dienstag die nach Alter gestaffelten Urlaubsansprüche im Manteltarifvertrag des NRW-Einzelhandels gekippt. Diese seien diskriminierend, verstießen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das Landesarbeitsgericht hatte einer Supermarkt-Kassiererin recht gegeben, die gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi gegen die Staffelung vorgegangen war. Die 24-Jährige hatte laut Tarifvertrag Anspruch auf 34 Urlaubstage, zwei weniger als ältere Kolleginnen.

Handelsverband will in Revision gehen

Über die Frage nach den Folgen für den Handel und jene Branchen, die ebenfalls Urlaubsansprüche ans Alter koppeln, herrscht nun Unsicherheit. Die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus. In einer ersten Stellungnahme hatte das Gericht gerügt, dass eine stichhaltige Rechtfertigung der Regel im Tarifvertrag des NRW-Einzelhandels fehle. Das dort genannte Argument einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ließen die Richter nicht gelten. Der Deutsche Handelsverband kündigte an, in Revision zu gehen.

Tarifexperte Reinhard Bispinck von der Hans-Böckler-Stiftung erwartet durchaus Konsequenzen: „Viele Beschäftigte, aber auch die Arbeitgeber werden prüfen, ob das Urteil sie betrifft.“ Er bezweifelt, dass altersabhängige Urlaubsansprüche generell unwirksam werden. Regeln dieser Art gibt es auch im Gebäudereinigerhandwerk oder im Öffentlichen Dienst. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) würden sie in den Tarifverträgen besser begründet, etwa mit einem höheren Ruhebedürfnis älterer Arbeitnehmer.

Tarifverträge müssen auf den Prüfstand

Reinhard Bispinck, die Gewerkschaft Verdi und der DGB gehen davon aus, dass weitere Tarifverträge rechtswidrige Staffelungen enthalten. Die Tarifparteien müssten diese jetzt ausräumen. Dass Arbeitnehmer danach massenhaft auf Urlaub verzichten müssten oder generell mehr Urlaub bekämen, sei nicht zu erwarten.