Brüssel. Regierungschef Viktor Orbán präsentierte vor dem EU-Parlament seine Ziele für die ungarisches Ratspräsidentschaft. Viel mehr interessierte die Abgeordneten aber das umstrittene ungarische Mediengesetz.

Viktor Orbán ist seit Anfang des Jahres Chefmanager der EU, seine Regierung organisiert die Ministertreffen und legt Tagesordnungen fest. Außerdem ist Orbán Ministerpräsident in Budapest, Chef der dort regierenden Fidesz-Partei. Die hat im Parlament eine Zweidrittel-Mehrheit, mit der man nach Belieben Gesetze verabschieden und sogar die Verfassung ändern kann. Ungarn ist in der EU ein eher kleines und schwachbrüstiges Land. Viktor Orbán jedoch ist zuhause stärker als irgendeiner seiner Kollegen. Und wenn es eng wird für den kleinen EU-Vorsitzenden Orbán, dann ruft er den gleichnamigen ungarischen Riesen zu Hilfe.

So geschehen am Mittwoch, als der neue Geschäftsführer dem Europa-Parlament seine Aufwartung machte. Dabei geht es traditionell um die politischen Prioritäten der Präsidentschaft, in diesem Falle die wirtschaftliche Genesung und Stabilisierung des Euro, Energiepolitik, EU-Beitritt Kroatiens, Förderung des Donau-Raums, eine Strategie zur Integration der Roma. Mit alldem zeigte sich das Hohe Haus mehr oder weniger einverstanden. Mehr Feuer entwickelte die Debatte beim Thema, das seit Beginn über der ungarischen Präsidentschaft wetterleuchtet: Orbáns Mediengesetz.

Grüne und Sozialisten wettern gegen Orbán

Dass die Debatte darum kreisen würde, war dem national-konservativen Premier, einem streitbaren Veteran der Kommunisten-Vertreibung, von vornherein klar: “Ich bin zum Kampf bereit!” Den Auftakt machte indes ein Verbündeter. Joseph Daul, Fraktionschef der christdemokratischen EVP, zu der auch Fidesz zählt, ließ den Parteifreund nicht im Regen stehen. “Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen. Sie sind ein großer Europäer!”

Danach gab es Saures. Martin Schulz, Fraktionschef der Sozialisten, erinnerte an das Prinzip Presserfreiheit: “In der Demokratie kontrollieren die Medien die Macht, nicht die Machthaber die Medien!” Grünen-Vormann Dany Cohn-Bendit outete sich als Herzens-Magyaren der ersten Stunde (“habe geweint, als die Ungarn ‘54 das Endspiel verloren”), zog dann umso heftiger vom Leder: Der verdiente Freiheitskämpfer Orbán sei jetzt Nationalpopulist. Die von ihm angeordnete “ausgewogene” Berichterstattung sei das Ende der Aufdeckung von Skandalen à la Watergate.

Da ließ Orbán den Vaterlandsverteidiger antreten. Mit markiger Stimme wies er den Vorwurf zurück, sein Land sei auf dem Weg in die Diktatur (den im Plenum keiner erhoben hatte), und donnerte: “Ich lasse nicht zu, dass das ungarische Volk beleidigt wird!” Das wiederum brachte Schulz und Cohn-Bendit auf die Palme. Kritik an einem Gesetz sei keine Beleidigung der Ungarn, konterte der Sozialisten-Chef. Cohn-Bendit war stinksauer: “Sie mobilisieren die Rechte!”. Auf eine Essens-Einladung Orbáns verzichte er dankend. Der Ungar gab sich ungerührt: “Ich hatte Schlimmeres erwartet.”