In den vergangenen 22 Verhandlungstagen ging es im Saal 1 des Mannheimer Landgerichts zeitweise hoch her. Zwei Befangenheitsanträge scheiterten, ein Gutachter Kachelmanns wurde dagegen wegen Befangenheit abgelehnt. Überraschend wechselte der Angeklagte Ende November zwei seiner Verteidiger und beauftragte den Hamburger Staranwalt Johann Schwenn. Danach wurde das Klima vor der 5. Großen Strafkammer streckenweise giftig. Schwenn erklärte die beiden Staatsanwälte für „verdächtiger als Herrn Kachelmann“. Eine „feindselige Haltung“ warf der Vorsitzende Michael Seidling dem Verteidiger vor.

Alle Scharmützel können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vier Monate nach Prozessbeginn noch immer Aussage gegen Aussage steht. Die langjährige Ex-Freundin des Meteorologen ist bei ihrer Aussage geblieben, dass Jörg Kachelmann (52) sie in der Nacht zum 9. Februar 2010 nach einem Streit mit einem Messer bedroht und vergewaltigt habe. Ihre mehr als 20-stündige Aussage vor dem Gericht erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Angeklagte bestreitet die Tat und spricht von einer Falschanschuldigung aus Rache. Die Schwetzinger Radiomoderatorin hatte zuvor seine jahrelange Untreue entdeckt.

Noch 17 Prozesstage

Einen eindeutigen Sachbeweis für die Vergewaltigung gibt es nach der bisherigen Beweisaufnahme nicht. Wenn sich das in den 17 kommenden Prozesstagen nicht ändert, wird alles davon abhängen, ob man den Angaben der Ex-Freundin glaubt. Hier bahnt sich unterdessen eine neue Entwicklung an. Eine weitere Ex-Freundin Kachelmanns wurde in der Schweiz ermittelt. Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim könnte bald ins Kanton Zürich reisen.

Gelöschte Verbindungen auf dem beschlagnahmten Handy Kachelmanns führten auf die Spur. Beim Anruf der Staatsanwaltschaft Mannheim soll die Medienschaffende brisante Angaben gemacht haben. Am 17. Januar 2010, rund drei Wochen vor der angeblichen Tat in Schwetzingen, soll es beim Sex zu gewaltsamen Übergriffen gekommen sein. Da die Frau - die übrigens auch glaubte, Kachelmanns einzige Freundin zu sein - eine Aussage in Mannheim ablehnte, erwirkte die Strafkammer inzwischen wohl erfolgreich eine Vernehmung in der Schweiz im Zuge der internationalen Rechtshilfe. Der Bescheid ist ergangen, kann allerdings zehn Tage lang angefochten werden. Wann diese Frist endet, teilte der zuständige Staatsanwalt des Kantons Zürich, Marcel Strassburger, bisher nicht mit. Sollte das Gericht in die Schweiz reisen, müssen die Medien allerdings draußen bleiben. Die Öffentlichkeit ist bei der Zeugenvernehmung im Rahmen der Rechtshilfe ausgeschlossen.

Durchsuchung bei Burda-Medien abgelehnt

Für den neuen Verteidiger Johann Schwenn ist auch diese Zeugin eine Lügnerin. Vor der Weihnachtspause sagte er bereits, Kachelmann sei am fraglichen Tag an einem ganz anderen Ort auf einer Wetterstation gewesen. Schwenn deutete im Gerichtssaal an, sie sei möglicherweise von interessierten Medien zu einer Aussage animiert worden. Zahlreiche Ex-Freundinnen Kachelmanns haben in Mannheim ausgesagt und davor oder danach ihre Geschichte in Medien gegen Geld vermarktet. Anwalt Schwenn hatte deshalb die Durchsuchung der Burda-Medien „Focus“ und „Bunte“ beantragt. Dieses Ersuchen lehnte das Landgericht Mannheim jedoch in der letzten Sitzung vor Weihnachten ab.

Die Schweizerin hat die Medienaufmerksamkeit allerdings nicht gesucht, sondern scheut sie bis heute. Sollte sie bei ihrer Aussage bleiben, wäre zwar weiterhin offen, was sich am 9. Februar 2010 in der Wohnung in Schwetzingen abspielte. Die Aussage des angeblichen Vergewaltigungsopfers könnte dadurch jedoch glaubwürdiger werden. Der Verteidigung kommt die neue Zeugin nicht recht. Denn gerade vor der Weihnachtspause wurde Kachelmann eher entlastet. Der Sachverständige konnte am angeblichen Tatmesser keine zurechenbare Spur von ihm finden. Eine solch geringe Spur auf dem Messergriff, die auch durch sekundäre Übertragung zustande gekommen sein könnte, wäre bei einer minutenlangen Bedrohung jedoch unwahrscheinlich.

Weitere Gutachter werden gehört

Die Staatsanwaltschaft erklärt die mangelnde Spurenlage mit der Aufräumaktion der Ex-Freundin. Sie soll früh ausgesagt haben, dass sie zunächst aufräumte und erst später über eine Anzeige nachdachte. Weitere neun medizinische und psychologische Gutachter sollen noch gehört werden.

Das Urteil, das ursprünglich Ende Dezember fallen sollte, ist jetzt für den 31. März 2011 vorgesehen. Die bisherigen Erfahrungen im Kachelmann-Prozess lehren jedoch, dass auch dieser Termin nicht sicher ist.

dapd