Tunis. .
Drei Tage nach dem Sturz von Machthaber Zine El Abidine Ben Ali wurde in Tunesien eine neue Regierung der nationalen Einheit vorgestellt. Doch die Lage bleibt angespannt: Die Polizei setzte Tränengas gegen Demonstranten ein.
Drei Tage nach dem Sturz von Machthaber Zine El Abidine Ben Ali hat die Interimsführung in Tunesien eine neue Regierung der nationalen Einheit vorgestellt. Erstmals sind drei Oppositionspolitiker im Kabinett vertreten. Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi, ein langjähriger Verbündeter Ben Alis, behält seinen Posten; außerdem bleiben der Verteidigungs-, Innen- und Außenminister im Amt. Die Lage in Tunesien blieb unterdessen weiter angespannt: In Tunis setzte die Polizei am Montag Tränengas gegen Demonstranten ein, Hubschrauber kreisten über der Hauptstadt.
Ministerpräsident Ghannouchi erklärte am Sonntagabend, die neue Regierung werde „ein neues Kapitel in der Geschichte Tunesiens schreiben“. Ben Ali war nach wochenlangen Unruhen wegen Korruption und steigender Arbeitslosigkeit am Freitag außer Landes geflohen und hält sich inzwischen in Saudi-Arabien auf. Als neuer Übergangspräsident wurde am Samstag Foued Mbazaa vereidigt, der Ministerpräsident Ghannouchi mit der Regierungsbildung beauftragte.
Unter den Mitgliedern des neuen Kabinetts ist auch der Gründer und langjährige Vorsitzende der stärksten Oppositionskraft Tunesiens, Nejib Chebbi von der Demokratischen Fortschrittspartei (PDP). Einem Oppositionsführer zufolge drängt die PDP auf Neuwahlen erst nach der von der Verfassung vorgesehenen Frist von 60 Tagen. Sie wolle eine Abstimmung erst innerhalb von sechs Monaten, damit die Bevölkerung Zeit habe, sich nach der 23-jährigen Herrschaft Ben Alis mit den Oppositionsparteien vertraut zu machen, sagte der Gewährsmann der Nachrichtenagentur AP.
Hunderte Touristen warten auf Evakuierung
In einigen Vierteln von Tunis kehrte am Montag ein Stück Normalität zurück. Läden, Tankstellen, Apotheken und Supermärkte hatten wieder geöffnet, viele Menschen gingen zur Arbeit. Ausländische Fluglinien nahmen nach und nach ihren Betrieb wieder auf. Auf dem Höhepunkt der Unruhen war der tunesische Luftraum geschlossen worden. Hunderte Touristen warteten am Montag weiter auf ihre Evakuierung.
Am Wochenende hatte die Polizei Dutzende festgenommen, darunter auch den Leiter der Leibgarde des gestürzten Präsidenten, Ali Seriati, sowie mehrere seiner Mitarbeiter. Seriati und seinem Stellvertreter werde unter anderem Verschwörung gegen die nationale Sicherheit vorgeworfen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur TAP. Auch hätten die Leibgardisten Unruhe gestiftet sowie Mord und Plünderung provoziert.
Vor dem Präsidentenpalast rund 15 Kilometer nördlich von Tunis hatten am Sonntag Streitkräfte und Mitglieder der neu ernannten präsidialen Leibgarde einen Angriff getreuer Milizen Ben Alis abgewehrt, wie einer der neuen Leibgardisten berichtete. In der Hauptstadt kam es zu einem zweistündigen Feuergefecht in der Nähe des Innenministeriums.
Tunesien wohl Thema bei arabischem Wirtschaftsgipfel
Der Generalsekretär der Arabischen Liga rief angesichts der Unruhen in Tunesien die arabischen Staaten am Montag zur Unterstützung ihrer Nachbarn auf. Weniger entwickelte Länder bräuchten Hilfe beim Aufbau ihrer Wirtschaft, sagte Amr Mussa am Montag auf einer Pressekonferenz. Wirtschaftliche und politische Reformen sollten in der arabischen Welt Hand in Hand gehen. Es wird erwartet, dass die Lage in Tunesien auch Thema beim arabischen Wirtschaftsgipfels in Ägypten in dieser Woche wird.
Der ägyptische Minister für Handel und Industrie, Rachid Mohammed Rachid, appellierte an die Regierungen arabischer Staaten, sich um die wirtschaftliche Not ihrer Bürger zu kümmern. Der Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit müsse gemeinsam geführt werden, forderte er. (dapd)