Bonn. .

Das Bundeskartellamt wettert gegen die deutschen Energieriesen. RWE, Eon, Vattenfall und vermutlich auch EnBW verfügten „jeweils über eine marktbeherrschende Stellung“. Zudem befürchten die Kartellwächter höhere Strompreise.

Die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke schränkt nach Ansicht des Bundeskartellamtes den Wettbewerb ein und könnte die Strompreise für Verbraucher unter Umständen steigen lassen. Die Laufzeitverlängerung „zementiert die Marktstärke der vier großen Erzeuger“, heißt es in einer am Donnerstag vorgestellten Untersuchung der Bonner Wettbewerbshüter. In der Studie bescheinigte die Behörde den Konzernen RWE, Eon, Vattenfall und wahrscheinlich auch EnBW eine zu große Marktmacht.

Wäre es beim Atomausstieg der früheren rot-grünen Regierung geblieben, hätte mittelfristig knapp ein Viertel der Anteile am deutschen Strommarkt neu vergeben werden können, erklärte das Kartellamt. Nun habe sich die Belebung des Wettbewerbs „zumindest deutlich verzögert“. Dies biete für die Konzerne den Anreiz, die Preise zu erhöhen.

Auch die von der Bundesregierung beschlossene Brennelemente-Steuer dürfte den Wettbewerbshütern zufolge zu einer „spürbaren Erhöhung“ der Preise führen. Auch die Art und Weise der Laufzeitverlängerung - die Energieversorger erhalten höhere Reststrom-Mengen für ihre Atomkraftwerke (AKW) - könne unter Umständen die Kosten in die Höhe klettern lassen.

Katrellwächter rügen zu hohe Marktmacht

Dämpfend auf die Strompreise dürfte sich hingegen die Verlängerung an sich auswirken, da die Atomkraftwerke nicht so schnell ersetzt werden müssten. Die Atomindustrie hatte zudem immer argumentiert, viele Atommeiler könnten besonders günstig Strom produzieren, da sie vielfach bereits abgeschrieben sind. Laut Kartellamt dürften die längeren Laufzeiten auch dazu führen, dass die Preise für Verschmutzungsrechte im Emissionshandel günstiger bleiben. Das senkt die Kosten für Strom aus Kohlekraftwerken.

Die vier großen Energiekonzerne in Deutschland haben nach Ansicht des Bundeskartellamtes eine zu große Marktmacht. RWE, Eon, Vattenfall und wahrscheinlich auch EnBW verfügten „jeweils individuell über eine marktbeherrschende Stellung“, erklärte der Chef der Wettbewerbsbehörde, Andreas Mundt, am Donnerstag in Bonn. Deshalb hätten die Erzeuger „Anreiz und Möglichkeiten“, den Strompreis missbräuchlich zu beeinflussen.

Das Kartellamt war in einer sogenannten Sektoruntersuchung der Frage nachgegangen, ob die Konzerne zu Zeiten mit besonders hoher Nachfrage gezielt weniger Strom produzieren. Damit würden sie die Preise im Großhandel - die letztlich auch die Preise für die Endverbraucher bestimmen - in die Höhe treiben. Die Wettbewerbshüter prüften dazu Daten aus den Jahren 2007 und 2008 von 80 Unternehmen, die 340 Kraftwerksblöcke betreiben und über 90 Prozent der Strommenge in Deutschland produzieren.

„Möglichen Missbrauch aufdecken“

Die Untersuchung zeigt nach Ansicht der Kartellhüter, dass jedes der Unternehmen zu bestimmten Zeiten „für die Deckung der Stromnachfrage in Deutschland unverzichtbar“ gewesen sei. Eine „systematische und gravierende Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten“ habe das Kartellamt zwar nicht nachweisen können, erklärte Behördenchef Mundt. Ein Missbrauch sei aber nicht auszuschließen.

Der tatsächliche Nachweis von Missbrauch durch die Konzerne „gestaltet sich in der Praxis ausgesprochen aufwendig“, erklärte das Bundeskartellamt. Wichtig sei die „zeitnahe und kontinuierliche Erhebung von Daten“. Die jetzt ausgewertete Untersuchung habe dafür aber eine wichtige Grundlage geliefert, „um möglichen Missbrauch von Marktmacht aufzudecken und zu verhindern“.

Die Energiewirtschaft sah sich durch das Kartellamt entlastet: Die Studie bestätige, „dass es keine Anzeichen für Gesetzesverstöße am Stromgroßhandelsmarkt gibt“, erklärte die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hildegard Müller. Sie hob hervor, dass die Preise für die Endverbraucher nicht Gegenstand der Analyse gewesen seien. Hier funktioniere der Wettbewerb. Die Großhandelspreise machen aber immerhin rund ein Viertel des Preises aus, den die Verbraucher zahlen.

„Indizien, aber keine Beweise“

Der Energieexperte des Bundesverbandes Verbraucherzentrale (vzbv), Holger Krawinkel, hingegen nannte die Kartellamts-Studie einen „Freispruch dritter Klasse“. Die Wettbewerbshüter hätten den Konzernen ein „Missbrauchspotenzial“ nachgewiesen. Sie hätten „Indizien, aber keine Beweise“ gefunden. Um die Konzerne wirklich effektiv zu prüfen, müsste deren Handeln komplett überwacht werden. „Ich kann aber nicht in jedes Kraftwerk einen Kontrolleur stellen“, sagte Krawinkel der Nachrichtenagentur AFP. Es sei daher nun „die politische Aufgabe“, Konzepte für eine andere Organisation des Energiesektors zu suchen.

Das Bundeskartellamt forderte, möglichst schnell die von der Bundesregierung geplante Markttransparenz-Stelle einzurichten. Damit könne „die Abschreckungswirkung einer effektiven Missbrauchsaufsicht wirksam erhöht werden“. Die Markttransparenz-Stelle soll Missbrauch auf den Großhandelsmärkten für Strom und Gas frühzeitig erkennen und dagegen einschreiten. (afp)