Essen. .
Anfang der Woche erlebten die Autofahrer enorme Preissprünge an den Tankstellen. Kritik kommt von den Automobilclubs: Der ADAC spricht von frecher Preispolitik. Der ACE fordert: Schluss mit dem ständigen Auf und Ab. Die Mineralölkonzerne wiegeln ab.
Achterbahnfahrt an den Tankstellen. Von Montag auf Dienstag dieser Woche sprangen die Benzinpreise mancherorts bis zu zehn Cent pro Liter nach oben. An Essener Tankstellen gab es teilweise zwei Preiserhöhungen an einem Tag. Am Dienstag dann fielen die Preise wieder um einige Cent. Derzeit pendeln sich die Preise um die 1,50 für den Liter Super ein. Aber selten zuvor gab es solch starke Preisbewegungen an den Zapfsäulen wie Anfang dieser Woche. Das bestätigt auch der ADAC.
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Die extremen Sprünge machen das Tanken für die Autofahrer schon seit einiger Zeit zum Glücksspiel. Wer den günstigen Preis am Montag verpasst, muss im Normalfall am nächsten Tag einige Cent mehr berappen. Auf den Tank gerechnet kommen so einige Euro mehr zusammen. Preissprünge von sechs, sieben Cent (zu D-Mark Zeiten 12 -14 Pfennige) binnen weniger Stunden - das war noch vor einigen Jahren undenkbar.
Wettbewerb oder freche Preispolitik? Das sagen die Experten
Julia Besler, Stationsleiterin einer Star-Tankstelle in Essen, beobachtet das Phänomen seit etwa 2007. Seit dieser Zeit betreiben die Marktführer wie Aral eine solche Preispolitik, sagt sie. Und die anderen, so genannte B-Marken wie Star, ziehen mit.
Der ADAC kritisiert die Preispolitik der Konzerne. Sprecher Andreas Hölzl glaubt, dass die Mineralölindustrie so stark an der Preisschraube dreht, um letztlich höhere Preise im Markt zu etablieren. „Sie probieren, ob der Preis von den Verbrauchern akzeptiert wird.“ Wenn ja, dann habe sich dieses „forsche, freche Herangehen“ für die Konzerne gelohnt. Autofahrern rät Hölzl daher, die Preisrallye genau zu beobachten und an günstigen Tagen immer wieder Nachzutanken.
Der Autofahrer-Interessenverband ACE wirft den Konzernen bewusste Tricks vor, um die Verbraucher zu verwirren und letztlich Preiserhöhungen durchzusetzen. „Ein zuverlässiger Vergleich ist für den Autofahrer durch die ständigen Preisbewegungen nicht möglich“, sagt Sprecher Rainer Hillgärtner. Er fordert mehr Transparenz und ein Ende des ständigen Auf und Ab der Preise. Der ACE schlägt deshalb vor, die seit Jahresanfang geltende neue Tankstellenverordnung in Österreich auch in Deutschland einzuführen. Dort dürfen die Preise an den Tankstellen seither nur noch einmal am Tag um 12 Uhr erhöht werden. Preissenkungen hingegen sind jederzeit möglich. „Das österreichische Modell könnte auch hierzulande eine kostendämpfende Wirkung entfalten. Wir wollen, dass das mehrfache alltägliche Hochschaukeln der Benzinpreise ein Ende hat“, so ACE-Präsident Wolfgang Rose.
Mineralölwirtschaft sieht funktionierenden Wettbewerb
Der Interessenverband der Mineralölindustrie, der Mineralölwirtschaftsverband, sieht dagegen den starken Wettbewerb in der Branche als Ursache für die Berg- und Talfahrt der Preise. Sprecherin Karin Retzlaff: Auf der einen Seite sei die Zahl der Tankstellen in Deutschland seit Jahren mit 15.000 nahezu konstant. Auf der anderen Seite sinke der Benzinverbrauch der Autos und somit die Nachfrage nach Benzin. Die Einnahmen der Tankstellenbetreiber aus den Shops werde daher immer wichtiger. Mittlerweile würden um die 50 Prozent des Ertrages einer Tankstelle aus dem Verkauf von Zeitungen, Lebensmitteln usw kommen. Entsprechend wird das Tanken Mittel zum Zweck, um Kunden anzulocken, sagt Retzlaff. Gerade das Wochenende beschere den Tankstellenbesitzern oft tiefrote Zahlen, weil tiefe Spritpreise als Lockmittel dienen. Eine starke Preiskorrektur nach oben am Anfang der Woche sei dann unausweichlich, um aus der Verlustzone zu kommen, so Retzlaff.
Auch Marktführer Aral macht den „extremen Wettbewerb“ in der Branche für die enormen Preisschwankungen verantwortlich, so Aral-Sprecher Detlef Brandenburg. Die extremen Preisausschläge zeigen, so Brandenburg, wie aggressiv die Preispolitik mittlerweile geworden ist. Starken Senkungen folgen starke Erhöhungen, um wieder rentabel zu arbeiten. Und, und auch das betont der Aral-Sprecher: Was früher Ein-Pfennig-Senkungsschritte waren, sind heute Ein-Cent-Schritte.
Markt in den Händen weniger Konzerne
Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft wertet die starken Preisbewegungen ebenfalls als Indiz für einen funktionierenden Wettbewerb. Die Margen im Benzingeschäft seien zudem so gering, so dass die Konzerne stets versuchten, diese zu optimieren. Das führe zu ständigen Schwankungen. Für Autofahrer hat sie folgenden Tipp: „Wer sich ein Erdgas- oder Hybridfahrzeug kauft, der muss sich über steigende Benzinpreise nicht mehr ärgern.“
ACE-Sprecher Hillgärtner kann dem Wettbewerb-Argument nicht folgen. „De facto haben wir es in Deutschland mit einem Oligopol zu tun.“ Fünf Anbieter beherrschen den Markt. Das hat auch kürzlich das Bundeskartellamt wieder bestätigt.