Wir lieben die weiße Weihnacht. Aber bitte ohne rutschige Straßen, verspätete Züge und ausgefallene Flüge. Und Schlaglöcher möge uns Petrus ganz ersparen. Geht das, Deutschland? Nein. Es geht nicht.
Aber dieser Kälteeinbruch gibt schon Anlass, über den Zustand unseres Verkehrsnetzes nachzudenken. Mag die Rechnung der Industrie- und Handelskammern, die dem Winter drei Milliarden Euro Verlust vorrechnen, auch sehr wirtschaftstheoretisch klingen: Die Einsicht, dass nicht nur die Reparatur der wieder auftretenden Risse in den Straßen teuer wird, ist realistisch.
Die alte Bundesrepublik hatte hervorragende Straßen und Flugplätze aus dem Trümmerfeld gestampft. Es gab Autobahnabfahrten im Umkreis von zehn Kilometern um jeden Ort. Dank der Eisenbahner funktionierte auch der Schienenverkehr als weltweites Vorbild. Bis zur Einheit. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde Deutschland das große Transitland Europas, und in den nächsten Jahrzehnten wird der Lkw-Verkehr noch einmal um 60 Prozent wachsen. Hinzu kommt: Die Menschen pendeln immer mehr. Sie werden mobiler. Sie tun das, was die Wirtschaft immer wieder gefordert hatte. Der Verkehr fährt, gerade vor wichtigen Feiertagen, zunehmend am Limit. Das Wetter gibt den Rest.
Das Kleid passt also nicht mehr. Weil zudem der Aufbau Ost zu einem Abbau West wurde, fehlen heute mindestens 1000 Kilometer Autobahn, schnelle Güterzugstrecken, moderne Regionalbahnnetze wie der Rhein-Ruhr-Express und ein Ersatz für marode Bauwerke. Die 68er unter den Straßenbrücken kommen in die Jahre. 5000 von ihnen haben Macken. Das ist ein Alarmsignal.
Für die Bundesregierung muss dieser Winter der letzte Anstoß sein, umzusteuern. Verkehrsinvestitionen sind Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft. Sie gehören zu den Muss-Ausgaben des Staates – so, wie es das Geld für ein stützendes Sozialsystem oder für die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit ist. Wahrscheinlich wird auf Dauer eine Debatte über die Pkw-Maut kaum zu vermeiden sein, wenn anderswo nicht eingespart werden kann.
Fazit: Dieser Dezember ist lehrreich. Wir sollten von ihm lernen, dass zur Pflege der Infrastruktur mehr gehört als Schneefegen. Verrottende Verkehrsnetze müssen auf Vordermann gebracht werden. Sonst droht der Verkehrsinfarkt – nicht nur im Winter.