Essen.

Auf vielen Autobahnen in NRW bleiben Lastwagen bei Schnee liegen. Ein Ärgernis für die Autofahrer. Doch warum setzen schon ein paar Zentimeter Schnee und eine kleine Steigung die mehrere Tonnen schweren Kolosse außer Gefecht?

Die Schneeketten, sie sind selbstgebastelt. Und sie werden einem Lkw-Fahrer auf der A 1 zwischen Wuppertal-Ronsdorf und Remscheid zum Verhängnis. Helfer des Technischen Hilfswerks müssen die provisorisch mit Schrauben befestigten Eisenketten aufflexen, da sie ihren Zweck nicht erfüllen und den Lastwagen sogar am Fahren hindern. Bei einem anderen Brummi versagt die Batterie. „Der Fahrer musste mit heißem Tee versorgt werden“, erzählt Julian Goodwin.

Der 19-jährige Student war in der Nacht zu Freitag ehrenamtlich für das THW Wuppertal auf der Autobahn im Einsatz. Lastwagen hatten sich auf der verschneiten und bergigen Fahrbahn festgefahren. Das Hilfswerk bemühte sich die steckengebliebenen Kolosse wieder freizuziehen.

Weil es Lkw-Fahrers Job ist

Doch warum waren am Donnerstag trotz Unwetterwarnung so viele Brummis unterwegs? Und warum genügen schon ein paar Zentimeter Schnee und eine kleine Steigung um die mehrere Tonnen schweren Fahrzeuge außer Gefecht zu setzen?

Düsseldorf besser als Essen

Beim Kampf gegen glatte und verschneite Straßen gibt es unter den NRW-Städten durchaus Unterschiede. Während sich Düsseldorf eine Flotte mit 33 Räum- und Streuwagen gönnt, versucht die Essener Stadtverwaltung mit gerade mal 24 Fahrzeugen dem Winter Einhalt zu gebieten. Der Unterschied ist deutlich sichtbar und spürbar. Bevölkerung und Stadtgebiet sind etwa gleich groß.

„Lkw-Fahrer fahren bei Schnee so lange wie es die Ruhezeiten zulassen und es die Verkehrslage erlaubt,“ sagt Martin Bulheller, Sprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr. Und natürlich „so lange es noch weitergeht.“ Einfache Begründung: Weil es Lkw-Fahrers Job ist.

Bei Glätte ist aber für jeden der 260 000 Lastkraftwagen mit mehr als 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht einfach Schluss, auch mit Winterreifen. „Sie bräuchten dann Schneeketten,“ so Bulheller. Die auf dem Autobahnstandstreifen aufzuziehen, sei ebenso riskant wie verboten, wenn daneben noch der Verkehr fließt. Wobei es gar keine speziellen Winterreifen für Lkw gibt. Sie fahren mit Ganzjahresreifen. Deren Traktion im Schnee entspricht wegen ihrer weicheren Gummimischung jedoch der von Pkw-Winterreifen. Das letztlich unlösbare physikalische Problem eines schweren Lkw mit Anhänger oder Auflieger ist, dass der Großteil des Gewichts nicht auf der angetriebenen Achse liegt und die Traktion erhöht. Das hat der Lkw mit dem Zug gemein, der auch ohne Schnee nur kleine Steigungen schafft.

„Unheimliche Schneemengen“

Darunter hatten in der Nacht zu Freitag allerdings nicht nur die Lastwagenfahrer zu leiden. Die querstehenden Lkw verhinderten nämlich, dass Räum- und Streufahrzeuge ihre dringend benötigte Arbeit verrichten konnten. Kilometerlange Staus, in denen auch zahlreiche Pkw feststeckten, waren die Folge. Daran änderten auch Autobahnsperrungen und das am Donnerstagabend erlassene LKW-Fahrverbot nichts mehr. Zu diesem Zeitpunkt steckten die meisten Lkw nämlich bereits fest. Das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter und das THW versorgten die Menschen, die teilweise die ganze Nacht auf der Autobahn festsaßen, mit Decken und heißen Getränken.

Neben den Auto- und Lkw-Fahrern machte „Petra“ auch noch vielen anderen in NRW zu schaffen. Bei der Bahn gab es Zugausfälle und Verspätungen. Auf der Strecke Wuppertal-Düsseldorf fuhr die S 18 wegen vereister Weichen sogar ab Donnerstag 18 Uhr gar nicht mehr, sagte ein Bahnsprecher. Der Düsseldorfer Flughafen musste am Donnerstag 65 Flüge annullieren. Um 19 Uhr wurde der Flugbetrieb sogar völlig eingestellt. Es dauerte zwei Stunden, bis die Bahnen geräumt und mit Enteisungsmitteln präpariert waren. „Ungewöhnlich lange“, sagte Flughafensprecher Christian Hinkel. „Unheimliche Schneemengen“ seien Schuld gewesen. Ein Flug musste sogar bis nach München umgeleitet werden, weil kein näherer Flughafen zur Verfügung stand. Auch die Feldbetten kamen zum Einsatz. Die Airlines konnten nicht alle wartenden Passagiere in Hotels unterbringen.

Sprit könnte knapp werden

Am Freitag mussten sogar 120 Flüge in Düsseldorf gestrichen werden. Hierfür war allerdings laut Flughafen hauptsächlich die Wetterlage im Rest der Republik und in ganz Europa verantwortlich. Auf den Straßen beruhigte sich die Situation nur zögerlich. Im morgendlichen Berufsverkehr stauten sich die Fahrzeuge auf insgesamt bis zu 170 Kilometer und die Polizei zählte bis 12 Uhr 762 „witterungsbedingte Unfälle“. Bei der Bahn rollten die Züge größtenteils wieder, wenn auch im Fernverkehr teilweise mit großer Verspätung.

Selbst der Sprit könnte bald knapp werden. Den Tanklastwagen machen die glatten und verschneiten Straßen schließlich genauso zu schaffen wie allen anderen Lkw.